Vorab: Mir war der Autor nicht bekannt und ich hatte tatsächlich vollkommen vergessen, dass ich dieses Buch schon einmal quergelesen hatte und ich sogar kurzzeitig auf facebook einer Gruppe angeschlossen war, die vom Autor ins Leben gerufen worden ist. Das Buch kommt schon auf dem Umschlag sehr vollmundig daher, mich machen Worte wie „radikal“ und „garantiert“ immer besonders skeptisch, beides findet sich dort.

Zum Autor

Stefan Hiene war mir unbekannt, er sagt von sich selbst, dass er ein Athlet und Leistungssportler sei; wenn ich seine Aussagen richtig verstanden habe, war oder ist er ein (erfolgreicher?) Radsportler.

Inzwischen hat er zwei Bücher herausgebracht, hält Seminare ab und eine sogenannte „Entbildung“ als Jahrestraining, die den Teilnehmer für ein paar Wochenenden im Jahr OHNE Kost und Logis im sonnigen Italien knapp 5000,- Euro kostet,natürlich auch exklusiv der Kosten für die Anreise.

Das Buch

In der „Aufwachmedizin“* verfolgt Stefan Hiene ein Konzept.
Es gibt 52 „Aufwachsprüche“ von ihm, links auf einer Seite in einer Art Tusch-Schreibschrift gedruckt. Rechts folgen dann seine Ausführungen zum jeweiligen Spruch.

Im Vorwort erklärt der Autor, dass man natürlich in Etappen vorgehen könne und das Buch in Wochenschritten lesen kann, aber es auch genauso gut wie alle anderen Bücher einfach von Anfang bis Ende durchlesen.

Um mal ein paar Beispiele zum Inhalt zu geben, zitiere ich hier drei dieser „Aufwachsprüche“.

Seite 142: „Echtes Leben findet jenseits Deiner Programmierung statt“.

Seite 207: „Ein Helfersyndrom lebt man am besten an sich selbst aus“.

Seite 150: „Die größte Katastrophe liegt bereits hinter Dir.“

Auf den gegenüberliegenden Seiten beginnt dann jeweils die Erklärung.

Wer sich die „Aufwachmedzin-Aufwachsprüche“ durchliest, wird wahrscheinlich zum gleichen Schluss kommen wie ich: alles nichts wirklich Neues.

Es sei denn, es wurde sich bislang noch nicht mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt. Dann betritt man tatsächlich Neuland.

Es fällt mir wirklich schwer, den Inhalt dieses Buches wieder zu geben.

Sicherlich liegt das auch daran, dass man nicht so ganz einfach 52 Thesen und deren Erklärungen dazu sinnvoll und inhaltlich korrekt zusammengefasst und etwas verschlankt aufschreiben kann.

Quintessenz statt Inhaltsangabe

Das würde dem Inhalt nicht gerecht und darum versuche ich mal so eine Art „Quintessenz“ statt einer Inhaltsangabe.

Stefan Hiene hat so etwas wie ein Credo (und ich hoffe, ich gebe es hier jetzt ganz korrekt wieder):

„Keines meiner Worte ist wahr, bis es Dich berührt“.

Das liest sich für mich erst mal ganz schlüssig und macht in mir so ein „jaaaa“ breit….und nachdem ich mich ein paar Wochen mit dem Buch und allem drumherum beschäftigt habe kommt das „aber“.

Was ist, wenn es mich nicht so wirklich berührt? Erkenne ich dann die Wahrheit nicht? Bin ich vielleicht gar zu „verkopft“ und verschlossen, um berührt zu werden?

Und jetzt kommt der nächste Knackpunkt: Stefan Hiene haut so Sätze raus wie:

„Glückliche Menschen kritisieren nicht“.

Kann ich auch erst einmal bejahen,weil glückliche Menschen eigentlich viel zu beschäftigt damit sind,ihr eigenes, pralles Leben zu leben.

Aber einen Haken hat die Sache: wenn ich solche Sätze sage und schreibe, unterbinde ich damit natürlich auch jede Form von nicht-Zustimmung an mir und meinen Aussagen.

Ganz schön clever.

Cleveres Marketing oder Glaubwürdigkeit?

Bei Stefan Hiene bin ich mir nicht sicher, was eigentlich wirklich hinter seinen Sätzen und seiner Haltung steckt – cleveres Marketing mit Aussagen, die man so oder so ähnlich schon woanders gelesen, gesehen oder gehört hat,oder ist dieser Mann im Umgang mit seinen Leser(innen) echt, glaubwürdig und „erweckend“?

Nachdem ich die Aufwachmedizin gelesen hatte, habe ich mich noch einmal der facebook-Gruppe angeschlossen, um diesen Autor und seine Botschaft richtig zu verstehen, tiefer einzutauchen in diesen „Kosmos Hiene“, der wirklich einer ist, denn dieser Mann hat eine große Gruppe Menschen um sich gescharrt, die ihn anhimmeln, verehren und ihm folgen, als sei er ihr Guru.

Solche Art Vergleiche verbittet sich Herr Hiene natürlich prompt und bietet an, Mitglieder ohne Angabe von Gründen sofort aus der Gruppe zu entfernen, da er alles nur spontan nach seinem Gefühl entscheidet.

Das Gefühl kommt zuerst

Und jetzt sind wir beim allerwichtigsten Punkt des Hien´schen Kosmos: er ist überzeugter Verfechter davon, das ALLES zuerst im Gefühl passiert und darum ist ALLES, was aus dem spontanen Gefühl kommt absolut RICHTIG.

Das sollte man erst mal sacken lassen.
Und zwar solange, bis man stark genug ist, sich den Konsequenzen zu stellen, die da sind:
Stefan Hiene billigt allen Menschen in allen Bereichen ihres Lebens vollkommene Freiheit zu, allen. Auch Kindern. Jeden Alters.

Was bedeutet, dass er JEDE Form von Erziehung nicht nur ablehnt, sondern als Wurzel allen Übels verurteilt.

Das führt dazu, dass wirklich alle Probleme und Konflikte, die erwachsene Menschen noch immer mit sich herumtragen natürlich in der grauenvollen Erziehung die ihnen in ihrer Kindheit angetan wurde wurzeln. So Hiene in etwa.

Das kann man so sehen,da ist auch viel Wahres dran,ich sehe es nicht so.
Für mich geht das tiefer,da sind nicht immer automatisch „die Eltern“, „die Familie“, „die Schule“ oder „die Gesellschaft“ schuld.

Bevor ich mich jetzt noch weiter in den Schilderungen des Hiene-Kosmos verliere,schließe ich diese Buchbesprechung von „Aufwachmedizin“ mit dem Hinweis, dass Stefan Hiene keine Kinder hat, nicht verheiratet ist und über sich selbst sagt, seine Wohnung sei so vermüllt und verdreckt, dass er keinen Besuch empfangen könne.

Ob da noch jemand in der Pubertät ist?

Das Buch „Aufwachmedizin – Dein radikaler Weg zur Selbstannahme“ ist 2017 im Verlag für Aufwachmedizin erschienen und zum Beispiel auf Amazon erhältlich*.