Was ist eine Sekte

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"Spiritualität als Sekte"
Spiritueller Meister oder Vampir? - Oft ist man erst nachher klüger.

In diesem Artikel werden Aspekte aufgeführt, die in Sekten und sekten-ähnlichen Strukturen zu finden sind.

Dazu gehören die Motivationen von Suchenden wie auch Dynamiken, die durch unbewusste Projektionen, Bewältigungsstrategien und Machtstreben entstehen.

Dieser Artikel ist eine Weiterführung des Artikels "Spiritualität mit Tücken".

Achtung
Im westlichen Sprachgebrauch hat sich für das Wort "Guru" die Bedeutung für "Sektenführer" gebildet - anders als im Artikel Guru beschrieben. Das Wort "Spiritueller Meister" ist neutral und weitestgehend unbelegt geblieben.

Grundlagen

Zu einer Einschätzung, ob man in einem Kult oder einer Sekte gelandet ist, gibt es zum Beispiel diesen Leitsatz:

"... wenn man der Auffassung ist, dass eine Gruppe und/oder Gesinnung den Menschen die Seele und Materielles nimmt."[1]

Und wenn die Definition zutrifft: "Missbrauch von religiösen Inhalten aus Eigennutz."

Abgrenzungsmöglichkeiten

Eine Sekte

  • hat meist feste Glaubensgrundsätze und Dogmen anstatt völlige Glaubensfreiheit zu erlauben.
  • nimmt Einfluss auf den Alltag und die sozialen Bindungen.
  • erwartet Zugehörigkeit für längere Zeit und macht das Verlassen schwer mittels Versprechen und der Vermittlung von Schuldgefühlen.
  • vermittelt eine Struktur von Geboten, gemeinsamen Ritualen und Gewohnheiten unter Gruppendruck oder gar als Pflicht getarnten Zwang.
  • führt einen in ein vorgegebenes Muster (das einen emotionalen Halt verspricht) und setzt Ziele von Außen anstatt den freien Willen und die persönliche Freiheit zu achten
  • versucht Menschen zu vereinnahmen und aus ihren bisherigen Bindungen herauszulösen, auf mehr oder weniger subtile Art und Weise.

Was bringt einen in eine Sekte?

Das Gewahrsein einer spirituellen oder zumindest außer-weltlichen Komponente im irdischen Dasein zieht sich durch alle Kulturen. Es ist eine anthropologische Grundkonstante, völlig unabhängig von allen Verleugnungsversuchen oder Beweiserbringungen. Als solches wird es immer sowohl heilende Formen als auch mehr oder weniger stark verzerrte Auswüchse geben. Es ist schwierig, dabei einen Gesundheitsgrad festzulegen - besonders, wenn bestimmte Formen bereits in anderen Kulturen etabliert sind (wie zum Beispiel bei Advaita).

Das natürliche Bestreben nach Grenzerfahrungen dient der Entwicklung und bringt uns raus aus der Sicherheitszone und dem Egotrip. Reformen wie auch Kulte sind aus dem Antrieb heraus entstanden, aus bürgerlichen Zwängen auszubrechen und neue Lebensweisen auszuprobieren - das hat nichts mit "Gehirnlosigkeit" zu tun, wie es Sektenerfahrenen leider häufig abwertend zugeschrieben wird. Wenn das zu einem Leben in Dilemma und Zwiespalt wird, am ureigenen Wesenskern vorbei, dann ist das zur ungesunden Psychodynamik geworden.

Der Begriff "Gehirnwäsche" sei eigentlich nicht zutreffend auf Sekten, da Gehirnwäsche (wie im Militär) gewöhnlich zeitbegrenzt und zielgebunden wirkt. Treffend sei der Ausdruck "Bewusstseinskontrolle", sagt Dieter Rohmann, Betreuer von Sektenaussteigern[2]. Bewusstseinskontrolle durch einen Sektenführer wirkt viel weitgreifender, ist nutzbar für flexible Ziele und hinterlässt Betroffene nach hässlichen Drohungen wie ausgeplündert und mittellos.

Einen Überblick mit Liste von Sekten, Religionen und Gemeinschaften in Deutschland gab es auf der ehemaligen Seite pinselpark.de. (Stand 2016).

Beschreibungen vieler Gruppierungen (nicht notwendigerweise Sekten!) sowie Texte zu verschiedenen Religionen und Strömungen finden sich im Lexikon der Schweizer Website Relinfo.

Weitere Aspekte sind Transfer:

  • Ein Transfer zum Beispiel von östlichen Lehren in westliche Kulturen ergibt immer Abstriche vom Ursprünglichen und eine gefärbte Ausprägung. Ebenso finden sich aber auch Grundwahrheiten, die in allen Kulturen ähnlich oder gleich sind. Man darf also nicht gleich alles auf Sektenhaftigkeit oder hormongesteuerte Gehirnprodukte reduzieren und besser-wissend beurteilen.
  • Genauso verhält es sich mit der "Stammlinie": Während die großen Lehrer und Leitbilder authentisch sind, wirken gleiche Aussagen von Mitgliedern der Gruppen, Lebensgemeinschaften (Ashrams) und Organisationen, die sich in ihrem Namen bilden nur noch wie "Second-hand" und absichtsvoll bis missionarisch. Schüler oder "Second-hand-Lehrer" kommen schnell in einen Modus, wo man die Antworten schon kennt und irgendwie dahin muss.
    Zum Beispiel kann Byron Katie selbst Dinge zu einer Inzest-erfahrenen Frau sagen, die sich unerfahrene Anhänger und Schüler von Byron Katie nicht leisten können zu sagen, weil ihnen die innere Tragkraft solcher Aussage abgeht. Bei der 4-Fragen-Technik von "The Work" zeigt sich nicht selten der Selbstbetrug mit den erwartungsgemäßen Antworten - ebenso leicht wie bei Coaching-Methoden, die auf Enthusiasmus beruhen.
Wahrheit eröffnet sich immer absichtslos.

Und Gruppendynamik:

  • Spirituelle Führer und Gurus können eine Erleuchtungserfahrung haben und dann der (All-)Macht dieser Erfahrung erliegen, die mit dieser Erfahrung verbunden ist: Dann wird die Gemeinschaft sektenhaft. Dies ist eine besonders häufige Versuchung von Gurus, die sich ihren Zustand, ihr Entwicklungsziel, hart erarbeitet haben und in der Befreitheit dann nach den Früchten greifen und das sofort lehren wollen. Erleuchtung ist kein erreichtes Ziel - der Zustand bleibt meist erst nur eine Erfahrung; die Verkörperung braucht Reifezeit.
  • Man darf auch nicht die Wirkung von Projektionen unterschätzen, die zum Teil Hunderte von Begeisterten haben, die den Meister mit zum Teil "telepathischen" Angeboten überschütten und sich dann in seinen höheren Schwingungen sonnen. Es wäre nicht fair, ihn dann zu "kreuzigen", weil er den hohen Anforderungen nicht entsprochen hat. Viele spirituelle Leitpersonen werden auch von Mitstreitern und Schülern in eine Rolle gedrängt, bis ihre Integrität irgendwann kippt.
    Der Guru ist ein Wegführer, nicht das Ziel - etwas, das so mancher im Rausch der ersehnten Gefühlswelt nicht mehr auseinander halten kann .
  • Mit der Erleuchtung kommt nicht automatisch auch die Fähigkeit, mit Gruppendynamik umzugehen; andererseits darf man von einem spirituellen Meister nicht erwarten, dass er Zertifikate in psychiatrischer und psychotherapeutischer Fortbildung erbringen sollte. Dies würde auch dem "Jenseits-von-dieser-Welt" widersprechen, das die Menschen in seiner Präsenz suchen und erfahren.

Die "großen" Sekten sind den meisten Menschen inzwischen bekannt, sodass dafür eine höhere Wachsamkeit in der Gesellschaft besteht. Wenig präsent sind die Kleingruppen mit 15-20 Mitgliedern, die sich als Gemeinschaften, zum Teil auch Lebensgemeinschaften entwickeln. Häufig geschieht hier der Einstieg über harmlos klingende Meditationsangebote und gar nicht unbedingt mit einer gezielten Absicht des Anbieters. Es entwickelt sich erst eine Wechselwirkung, die durch den Erfolg ausgelöst wird, der wiederum eine Bestätigung für eine Berufung zu sein scheint.

Wie weit der Staat Verantwortung tragen soll für unsere Religionsfreiheit und deren Beeinträchtigung - ab wann er eingreifen sollte oder aber die Persönlichkeitsrechte verletzt, ist umstritten. Hier zum Beispiel hat er es getan: im Sektenbericht 2011 zu lesen: "So habe das Verwaltungsgericht Kassel einen Kindergarten in Rothenburg schließen müssen, weil “magische und esoterische Elemente” wie Pendeln und das Entfernen von “Frauenhass-Implantaten” mittels “virtuellem Staubsauger” in die Erziehung eingeflossen seien."[3]

Zehn Charakteristiken eines missbräuchlichen Gurus

Nach Alan Kazlev, einem spiritueller Kritiker, der sich aber auch als Schüler von Sri Aurobindo bezeichnet, gibt es zehn Punkte, die bei einem missbräuchlichen Guru immer wieder auftauchen:

  • Sexuell missbräuchliches Verhalten (von Abhängigen wie ergebenen Schülern)
  • Finanzielle "Spenden"-Aufforderungen, um (s)einen unnötig wohlhabenden Lebensstil zu unterhalten
  • Bigotterie: öffentlich das eine lehren, privat sich anders verhalten. Zum Beispiel sexuelle Enthaltsamkeit lehren, aber Sex (vorwiegend mit jungen, hübschen, eifrigen Schülerinnen) als "tantrische Einweihung" zu rechtfertigen. (Ambivalentes und mehrdeutiges Verhalten: zum Beispiel Annahme, Akzeptanz, Mitgefühl lehren und im inneren Kreis über Leute herziehen.)
  • Narzisstisches Verhalten ("sich selbst zu lieben im Schüler": selbstorientiertes, selbstgefälliges Verhalten)
  • Beschuldigungen oder anderes missbräuchliches Verhalten (wie Unterstellungen), um "das Ego zu brechen"
  • Körperlicher Missbrauch - meist durch Anstiftung eines Devotees, einen anderen zu verletzen (oder zu "züchtigen" - sehr häufig in christlichen Sekten wie die bekannt-gewordenen Kindesmisshandlungen bei der urchristlichen Sekte "Die 12 Stämme"[4])
  • Ausnutzen des Vertrauens des Schülers: Ausübung von Kontrollen; Dinge anordnen und erzwingen, die dieser nicht tun will
  • Emotionaler Sadismus (eine sado-masochistische Beziehung mit Schülern)
  • Rachsüchtiges Verhalten gegenüber ehemaligen Ergebenen und Schülern (Manipulation wie Schweigegebot bis hin zu Überwachung und Verfolgung, wie es bei der Scientology bekannt ist)
  • Auf Kritik reagieren mit Ärger, Bitterkeit, Hass, Verachtung oder Spott ("liebevoll", aber spöttisch oder selbstgefällig unterlegt)[5]

Sie machen alle, alle dasselbe:
Erst knipsen zuerst das Licht aus
und dann fangen sie an ihre Kerzen zu verkaufen.

Wenn sie Licht verkaufen, muss es außen dunkel sein -
ist das nicht gegeben, dann wird es dunkel gemacht.

D. Rohmann, von einem Sektenaussteiger[6]

Warnzeichen

Solange man in der Lage ist, die eigene Situation und Dynamik mit gesundem Menschenverstand zu reflektieren, sollten folgende Beobachtungen alarmieren:

Selbstrechtfertigung

Wenn man sich insgeheim eingesteht, dass man immer wieder ein Verhalten rechtfertigt. Man verdreht Interpretationen der Lehre, um einem Verhalten oder Aussagen des Lehrers einen positiven Sinn zu verleihen, den es ehrlicherweise dem inneren Wissen nach nicht hat.

Besonders sein

Wenn man sich als etwas Besonderes für den Meister fühlt, "ausgewählt" fühlt oder wurde: zum Beispiel als sexuelle Partnerin oder für eine führende Rolle auserkoren, im esoterischen Bereich oft als "Reinkarnation von...", im Religiösen oder Spiritistischen der/die "Auserwählte". Wenn das vom "Guru" angeführt und benutzt wird - dann bewirkt das leicht eine Verbündung - und führt in Verblendung statt Erleuchtung.

Im esoterischen Feld "Channelings" wird man häufig geflutet mit Aussagen "Du bist der Schöpfer", "Ihr seid die Erschaffer", "Ihr seid Gott". Wenn man sich als Person damit identifiziert, hat man die Ebenen verwechselt: Angesprochen ist hierbei das Bewusstsein, das Wesen, die Seele, die die Person belebt, erfüllt und formt (und den Körper beim Tod verlässt) - nicht die Person selbst. In solchem Bewusstsein zu leben, bewirkt Getrenntheit und Spaltung statt Einheit.

Echte, wahrhafte Gurus und Meistern haben die Fähigkeit, diese Ebene beim Menschen zu adressieren, ohne dass die Person (der menschliche Anteil) das auf sich selbst bezieht und damit "davon-galoppiert". Auf Menschen, die sich dem unreflektiert aussetzen, kann das wie eine Indoktrination wirken. Man landet dann leicht auf der spirituellen Überholspur.

In esoterischen Sekten wird es benutzt, um sich aus dem Irdischen heraus zu heben.

Versprechungen

Aussichten wie zum Beispiel Teil einer tragenden spirituellen Säule zu werden (oder Ähnliches) durch eine größere Geldspende für ein (Bau-)Projekt sind heikel: Das Bedürfnis nach Familien- oder Gruppenzugehörigkeit und nach Sinnhaftigkeit des Engagements kann einem hier einen Streich spielen. Eine Seminarumgebung dazu schafft große Offenheit - und die Begeisterung dabei zu sein, überschreibt den gesunden Menschenverstand und Blick aufs Budget.

Finanzielle Verpflichtungen

Wenn der Geldfluss allein in die Sekte führt und zu immer weiteren Seminaren, Kursen, Schulungen, Ausbildungen und Erwerb von Graden, dann liegt der Verdacht nahe, dass man zum "Goldesel" einer Gruppierung geworden ist. Innerhalb eines gewissen Rahmens hat dies tatsächlich einen persönlichen Wert, einschließlich der tiefen Erfahrung von Loyalität. Aber wenn man verarmt dabei, andere durch Darlehn hineinzieht oder zum arbeitsunfähigen Sozialhilfe-Empfänger wird, dann sind meist Grenzen der Persönlichkeitsentwicklung überschritten.

Es ist nicht selten, dass Menschen in Kleinsekten sich zwar abgrenzen von der "normalen" Welt, aber dennoch ganz selbstverständlich auf ihre Kosten lebt. Viele Anhänger werden nicht nur übergangsweise dysfunktional und die Konsequenzen des Verzichts auf Krankenversicherung, Renteneinkommen oder eingezahlten Gemeinschaftsleistungen zeigen sich erst im Alter.

Auch haben "Ehemalige" - unter anderem im Film David wants to fly* über die TM-Bewegung - berichtet, wie sie vom Guru fallen gelassen wurden, sobald sie finanzielle Probleme offenbarten.

Schülerwege mit totaler Selbstaufgabe auch in finanzieller Hinsicht sind in östlichen und Sufi-Traditionen "normal". Es sind viele bekannt, die auf diese Weise die Befreiung erlebten. Bücher wie die Biographie von Irina Tweedie sind da mit ihrer Bedingungslosigkeit so inspirierend, wie sie auch viele Menschen zutiefst irritieren können.

Faszination von radikaler Hingabe

Das Ich wegzugeben, damit man von etwas anderem - von Gott - erfüllt wird - kann an ungeheurer Antrieb sein. Meist führt er dann aber zur Selbstentfremdung, einem Gefühl, dass etwas fehlt, man von seinem Enthusiasmus nicht mehr glücklich ist. Radikalität beinhaltet immer Ausschluss statt Integration. (Hierzu siehe auch den Beitrag der ersten Teilnehmerin der Maischberger-Talkshow.)

Schuld- und Schamgefühle

Schuld und Scham wachsen gegenüber dem Göttlichen oder dem Meister oder Guru, dass man seine Berufung nicht erfüllt hat, wenn man aussteigen will. Es geht immer mehr ums "schuldhaftes Sein" statt um punktuelle Handlungen, die eine echte Schuld und eine nur damit verbundene Konsequenz ergeben.

Im Schuld-Milieu breitet sich langsam die Angst aus, den äußeren und inneren Ansprüchen gerecht zu werden - besonders wenn völlige Unberechenbarkeit von Bestrafungen dazukommt. Das entwurzelt die Psyche gründlich - der Zugang zu Urvertrauen ist versperrt, obwohl er eine Basis für spirituelles Sein ist.

Die Ambivalenz wird zermürbend und der Zwiespalt führt zu Seelenqualen. Das Aushalten der unvereinbaren Optionen führt nicht selten auch zu psychotischen Reaktionen. Dies ist ein Bewältigungsmechanismus der Psyche, der sich in gestörter Gehirnfunktion niederschlagen kann statt in der ersehnten "re-ligio", der Rückverbindung ans Göttliche.

Im günstigen Falle führt dieser Weg - der in vielen Biographien Erleuchteter zu finden ist - zu einer totale Kapitulation. Dieses totale Loslassen war dann verbunden mit einer spirituellen Erfahrung, die eine grundlegende Lebensveränderung, manchmal auch Erleuchtung zur Folge hatte.

Exzessives Streben

Viele spirituell Strebende verwechseln Gotteserfahrung mit einer "nur wundervollen" Erfahrung und bemühen sich dann, einen ständigen Gefühlszustand davon herzustellen. Wenn es ihnen "nicht gut" geht, wäre das ein Zeichen für Verlust, Versagen - eine Hölle. (John de Ruiter, ein spiritueller Meister, wies zu diesem Missverständnis immer wieder darauf hin, dass schon eine einmalige Erfahrung eine grundlegende Gewissheit vermittelt, die ausreicht für das Weitergehen. Ein Festhalten an der Erfahrung oder dem Gefühl als Lebensgefühl sei nicht nötig.)

Die Glücksgefühle einer "transzendenten" Erfahrung können täuschen und auf einem Dopamin-Hormon-Überschuss im Gehirn beruhen statt auf "Befreiung". Sie beruhen dann auf gezieltem Wollen und das Ergebnis davon ist eine Fantasiewelt (ein Leben im Wolkenschloss). Intensives, suchtartiges und exzessives Streben kann auch eine latente Schizophrenie zum Ausbruch triggern (auslösen).

Verachtung

Verachtung, eine (kalte) Überheblichkeit, ist nicht immer offensichtlich, sondern äußert sich oft unterschwellig (zum Beispiel auch gegenüber der Gesellschaft oder dem Irdischen). Verachtung steht immer im Zusammenhang mit Machtbestreben, Unterwerfung und Aufspaltung.

Einssein, Harmonie, Eintracht und Vielfalt stellen sich als Gegenpol dar, nicht als universelle Grundwahrheit. Verachtung wird übernommen oder gezüchtet aus Manipulation, systematischer Grenzüberschreitung, Missbrauch und Gewalt. (Das ist auch im zweiten Talkshow-Beitrag "Aufgewachsen bei den 12-Stämmen" erschreckend sichtbar.)

Allgemein wird das mystische und auch archetypische "Absolute" benutzt und zwar ausschließlich der Machtaspekt dessen. Im christlichen Bereich werden dafür häufig Themen des Alten Testaments herangezogen; im Islam werden passende Suren entsprechend ausgelegt. In östlich-basierten Sekten wird das Ziel der Ich-Auflösung und absoluten Hingabe benutzt und im esoterischen Bereich gerne Prophezeiungen und/oder Channelings.

Alle diese Grundlagen können im einen Fall nährend wirken und zu (persönlichem oder Seelen-)Wachstum anregen, zu innerer Friedfertigkeit führen oder im anderen Fall - benutzt und missbraucht - zu Verachtung, Verwirrung und Verdunklung des ureigenen Wesens führen.

Bewusstseins erweiternde Substanzen

Gemeinschaften, in denen sogenannte "spirituelle" Erfahrungen durch Hilfsmittel wie psychoaktive Substanzen oder Drogen vermittelt werden. Zum Beispiel ruft Marihuana (Cannabis) eine Gehirnüberflutung mit Dopamin (ein Glückshormon) hervor, die nicht selten auch eine Schizophrenie zum Ausbruch bringt.

Solcherart hervorgerufene Erfahrungen sind trügerisch und gefälscht: Sie sind nicht authentisch mit der Wesensentwicklung und haben nichts mit Spiritualität im Sinne von Wahrheit zu tun. Sie verschaffen einen Einblick auf zweifelhaftem Zugangspfad, der selten gelingt. (Satyam Nadeen's Weg mit seinem Buch "Von der Zwiebel zur Perle" ist da eine Ausnahme, kein Pfad. Auslöser seines Erwachens war auch hier die totale Hingabe, nicht die Drogen.)

Forderungen

Forderungen statt Herausforderung und Begleitung bringen einen Strebenden leicht in das Dilemma, entweder seine angestrebten Ziele zu verraten oder seine unguten Gefühle zu missachten.

Der Guru fängt eigentlich erst an zu fordern, wenn die "Verliebtheit" vorbei ist und aus der Romanze eine Herausforderung wird. Von da an werden die Entscheidungen zur Gratwanderung zwischen bedingungslosem Vertrauen, Gehorsam und "gesundem Menschenverstand". Ähnliches gilt für extreme, radikale Anforderungen an sich selbst.

Es gibt ein natürliches Grundbedürfnis nach Grenzerfahrung, genauso wie es ein Grundbedürfnis nach Sicherheit und Rahmen gibt. Wenn in der Grenzerfahrung jegliche Rückkehr oder Ausgleichsbewegung zu Unspektakulärem, in eine Ruhe und Reifung, übergangen wird, dann ist es kein unschuldiges Grundbedürfnis mehr: Dann wird es benutzt. Dann lebt man im Zwiespalt: Man muss sich ständig entscheiden, ob man das Mächtige der Grenzerfahrung aufrechterhält oder die unspektakuläre Stille während der Entfaltung zulässt.

Reflexion ist dann unerwünscht, wenn sie Bedeutungslosigkeit und Zweifel hervorruft: Zweifel gehören zum in sich begrenzten Verstand und sind ohne Herz (und Bauchgefühl) zerstörerisch - womöglich versucht man obendrein noch mehr seinen "Verstand auszuschalten". In Sekten ist Reflexion eines Bauchgefühls auch schon unerwünscht.

Einen entscheidenden Unterschied macht hier statt einer "General-Hingabe" eine punktuelle Hingabe:

  • gezielt ans Göttliche statt an den Guru als "Vertreter" oder "Kanal"
  • "nur für Heute"
  • "nur im (an dieses) Detail".

Die Absicht echter spiritueller Meister in ihrer Forderung nach Gehorsam ist es, einen sicheren Rahmen zu geben für eine spirituelle Entwicklung ohne Umwege - zum Wohle des Schülers,[7] nicht um die eigene Macht auszuüben und zu genießen.

Sexuelle Beziehungen

Es gibt durchaus tantrische Praktiken, die geheim behalten werden, weil Außenstehende dafür wenig Verständnis und Beurteilungsvermögen haben. Der Unterschied dabei ist, dass dies kein Geheimnis ist, sondern dass die Teilnehmer vorbereitet werden für eine voll bewusste Handlung.

Sobald sich sexuelle Betätigung "anbahnt", ein zwiespältiges Gefühl produziert und hinterher verheimlicht wird, um Neid und Eifersucht zu vermeiden, ist dies keine traditionell tantrische Übung oder Einweihung mehr.[8]

Sex als Hingabe und Erfahrung des Zustands von Einheit ist eher nicht begleitet von heimlicher, unguter Verbündung oder schalem Beigeschmack im Herzen.

Manipulationen am Sakral-Chakra

Wenn man innerlich oder äußerlich hervorgerufene intensive sexuelle Gefühle erlebt, die die menschliche, sexuelle Reaktionsweise nur aufheizen statt zu beruhigen, dann ist die Wirkung und/oder Absicht eher, eine sexuelle Bindung zu manifestieren. Sexualität wirkt dann Energie produzierend beziehungsweise raubend - der Körper fühlt sich benutzt an, ohne Resonanz im Herzen. Auch dies führt zu der Spaltung von Herz und Verstand/Physis, die man eigentlich auflösen wollte. Wer die freigewordene generierte Energie (be)nutzt und wofür, ist dann fraglich (vielleicht ein Vampir).

Kundalini-Praktiken

Spirituelle Meister warnen vor unbedachten Manipulationen der sogenannten Kundalini-Energie. Sie sagen, dass sich die Kundalini-Energie von selbst entfaltet mit dem Reifegrad. Wenn man ohne einen entsprechenden inneren Reifegrad in Wochenendseminaren oder Meditationspraktiken an der "Erweckung" arbeitet, kann das zu Störungen und Fehlentwicklungen führen auf der energetischen und Persönlichkeitsebene. Die Energie nährt dann das spirituelle Ego oder die Persönlichkeit kann im Alltag mit der Energie nicht umgehen.

Mehr zu Sexualität und Kundalini und okkulten Kräften (Manifestation) auch bei Sri Chinmoy.

Manifestation von Gegenständen

Manifestation ist in Indien verbreitet und als spirituelle beziehungsweise okkulte Fähigkeit ("Siddhis") bekannt. Es sagt heutzutage nicht mehr viel über die Ausübung im Dienste der Wahrheit und den Absichten des Anwenders aus. (Man kann dort inzwischen auch Magier-Techniken in Seminaren lernen.[9])

Nach Buddha gibt es 3 Gruppen von okkulten Fertigkeiten, von denen die ersten beiden hinderliche Stolpersteine sind, weil sie verführen und ablenken können:[10]

  • Übernatürliche Kräfte wie levitieren, sich-unsichtbar-machen, übers-Wasser- oder durch Wände-gehen
  • Telepathische Kräfte wie Gedankenlesen, luzide Träume bewirken, Kontakt (bis hin zu Manipulation, Gedankenkontrolle) übers dritte Auge projizieren
  • Lehren: Schüler auf einem korrekten Weg zu spiritueller Befreiung zu führen; auch mittels nonverbaler Kommunikation auf verschiedenen Ebenen für unterschiedliche Niveaus gleichzeitig

Selbstzerstörerische Tendenzen

Wenn die Gedanken beginnen darum zu kreisen, den Körper aus dem Weg zu räumen, um vereint zu sein oder weil er einem im Wege steht, dann kommt diese Destruktivität nicht aus dem Göttlichen, sondern einer extrem polarisierenden Ebene. Meist ist es in diesem Stadium schon fast zu spät zum Ausstieg. Mit radikaler Bereitschaft und übermäßigem Streben danach, spirituellen Maßstäben gerecht zu werden, führt das häufig zu Suizid.

Ein spiritueller Meister sagte, dass Suizid keine Lösung sei, weil das Bewusstsein, der "Trickster", erhalten bliebe - nur eben ohne die irdische Form; das heißt, dass nur diese eine Ebene für denjenigen verloren ist. Suizid als Gewaltanwendung gegen einen Teil von sich täuscht eine Befreiung vor, die gar keine ist.

Ausstieg

In einem Bericht über ihre 7 Jahre in einer Guru-Gemeinschaft antwortet eine Aussteigerin auf die Frage, wie man als besorgter Außenstehender umgehen soll mit einem Mitglied:

"Man sollte sie lassen, und man sollte die Beziehung zu ihnen möglichst aufrechterhalten. Man muss sich für das, was sie tun, wohlwollend interessieren. ... Das ist das, was die Leute nicht verstehen. Sie meinen, man müsse aufklären und warnen. Und gerade das sollte man auf keinen Fall tun in einer Entscheidungsphase. Wenn du jemanden warnst, dann springen sie in die andere Richtung. Wir hatten viele Leute, deren Ehen zerbrachen, weil der Mann oder die Frau auf die Sektenberatung ging und die ihnen einen Vortrag hielten. ... Man muss sich nur überlegen, was passieren würde, wenn man selber begeistert ist und dann angezweifelt wird. Man bekommt soviel, und es geht einem wirklich irrsinnig gut – bis man beginnt, voll einzutauchen. Anderen geht es ja vielleicht immer noch gut, ich kann es nur von mir sagen."[11]

Ausblick

Die reine Liebe eines Schülers kann stärker sein als die Auswirkung der Unreinheit des Lehrers. Wenn sich aber im Leben zeigt, dass die Beziehung nicht funktioniert, dann sollte man sein Vertrauen lieber in die Hände dessen legen, von dem man ein innerliches Wissen hat, dass es eine Richtigkeit hat. Mit Ehrlichkeit kann man auch herausfinden, ob das Sehnen nach dem Göttlichen eher eine ungute, zweckorientierte Verbündung auf unterbewusster Ebene war, die es erlaubt hat, etwas Besonderes zu sein, mit einem "erfolgreichen" spirituellen Lebensstil.

Die Erfahrung einer solchen Beziehung kann langwierig und schmerzhaft sein - es ist schade, wenn sie ins Gegenteil umschlägt und zu Bitterkeit, Hass und übler Nachrede führt. Leider ist dies häufig eine irreversible Folge von der Verachtung, die durch die sektenhafte Dynamik geschürt wird. Dies wäre eher ein Kennzeichen für einen entgangenen Nutzen aus solcher Beziehung, Rachsucht des Egos. Gute Lehrer entwickeln sich naturgemäß auch weiter. Viele Lehrer vermitteln etlichen Schülern Reife und echtes spirituelles Wachstum - und es werden immer welche darunter sein mit Persönlichkeitsstrukturen, die nicht "kompatibel" sind mit der Lehrweise.

Und nach dem Motto "wer die Tür schließt, dem öffnet das Göttliche ein Fenster", kann eine fruchtbare, andersartige Beziehung durchaus schon bereit sein. Das gewonnene Differenzierungsvermögen hilft einem dann zu wissen, wann und wo Hingabe echt beglückend sein kann. Echte Erfahrung des Göttlichen beinhaltet auch immer einen Schutz inmitten von herausfordernden Lebenserfahrungen und kann zu einer intensiveren inneren Beziehung führen als das Ego vorher angestrebt hat. Ein "guter" Ausgang ist durchaus möglich, wie die Erfahrung der ausgestiegenen Ordensschwester zeigt und anderer Aussteiger, die an die Öffentlichkeit gegangen sind (zum Beispiel in der Folgesendung Maischberger "Die Psychotricks der Gurus" vom 3.3.15).

Die Dokumentation "Kumaré"

In dem Film "Kumaré - Die Wahre Geschichte eines Falschen Propheten*" beschreibt der Regisseur Vikram Gandhi sein Experiment, wie leicht man, gezielt Guru werden kann, ohne es (traditionell gesehen) zu sein. Aufgewachsen mit den Werten und Lehren der östlichen Religion möchte er diesen entfliehen - und sieht das wachsende Interesse im Westen an dem, dem er zu entfliehen versuchte. So erlernte er die Rolle eines Gurus und setzte sich selbst in Szene.

Die Film ist freundlich, heiter, ernsthaft, unglaublich und überraschend zugleich und enthüllt das Spiritualitätsbusiness. Manche Kritiker bezeichnen ihn auch als unethisch, weil er Leichtgläubigkeit seiner Anhänger entblößen würde. Andere Kommentare schätzen den Film, um Einsichten und Verständnis in die Schüler-Guru-Beziehung zu gewinnen. Das "Getäuscht worden sein" kann schon auch ein eigenes Gefühl von Unwohlsein, von Scham hervorrufen.

Den Trailer kannst du auf YouTube sehen.

Heike Witzel.jpg

Persönlicher Standpunkt von Heike Witzel:

Ich finde den Film nicht entblößend - durch seine aufgeschlossene Neugierde ist man eher geneigt, sich ebenso zu wundern über die Reaktionen auf seiner Entdeckungsreise wie er selbst.
Besonders gelungen ist die sinnige, schlüssige Enthüllung am Ende - das Ganze hatte immerhin zur Folge, dass zum größten Teil seiner "Schüler" ein freundlicher Kontakt bestehen geblieben ist - und, dass von den Schülern Erstrebtes funktioniert hat trotz der "Unechtheit" des Gurus.
Mein Prädikat: unbedingt sehenswert!

Notizen aus der Talkshow "Menschen bei Maischberger" vom 11.11.2014

Der Abschnitt beruht auf der Sendung "Menschen bei Maischberger" vom 11.11.2014 mit dem Titel "Wenn Glauben gefährlich wird: Die Macht der Sekten. Die Absicht der Teilnehmer war übereinstimmend, auf die Gefahr von Kleinsekten hinzuweisen, ohne hier konkret bestimmte Gemeinschaften als Sekten anzuklagen.

Ausgestiegene Ordensschwester

Die erste Teilnehmerin berichtet von einer wunderbaren, liebevollen Kindheit mit Einser-Abitur, was in keiner Weise auf eine Anfälligkeit für Sekten hinweist. Ihre Motivation, Nonne zu werden, war (schon von Kind an) die Faszination, sich rückhaltlos in die Arme Gottes zu werfen. Sie sah das als ein Zeichen für eine Berufung, mit einer entsprechenden Bereitschaft zur radikalen Lebensführung. Ihr Vorbild war der Bibelsatz in den Galatern "Nicht mehr ich lebe in mir, sondern Christus" (der zu ihrem Buchtitel "Nicht mehr Ich*" führte). In dem von ihr ausgewählten christlichen Orden (mit päpstlichem Siegel) wollte sie

  • Demut lernen
  • das Ich abgeben, Selbstlosigkeit bis hin zu radikaler Hingabe
  • die Freude pflegen, etwas gemeinsam mit anderen für das Reich Gottes tun
  • die Fröhlichkeit bei ganz einfachen Arbeiten erleben und kultivieren, die Ausstrahlung von Glück genießen
  • Familiengefühl und Zusammengehörigkeitsgefühl genießen und pflegen

Erlebt hatte sie in der Zeit jedoch

  • reglementierte Kontakte zu den Eltern: nur Positives war erwünscht
  • es wurde erwartet, dass Briefe "freiwillig" vorgelegt wurden, die dann zum Teil wegen "mangelhaftem" Inhalt nicht abgeschickt wurden.
  • (individualisierende) Sätze wie "ich will"/"ich will nicht" werden abtrainiert; damit hat man keine Handhabe mehr "nein" zu sagen.
  • (Statt innerer Befreiung) Verlust der inneren Freiheit selbst zu denken; sie traute sich nicht mehr anders zu denken und merkte nicht mehr, was sie fühlte (und ob sie anders fühlte)
  • das Bewusstsein und Gefühl "da fehlt etwas", "ich bin gar nicht mehr glücklich" kam zu spät, um den Weg rechtzeitig zu verlassen.
  • In den Gesprächen mit ihrer Bezugsperson wurden ihre Gefühle als befremdlich und nicht nachvollziehbar bewertet, mit der Botschaft "unerwünscht". Das hatte ein Gefühl von Außenseiterin zur Folge und dass etwas mit ihr nicht in Ordnung sei. Das wiederum veranlasste sie zum Verschweigen und Verdrängen, um dem Konflikt zu entgehen (mit der Folge von Gefühlstaubheit und Misstrauen sich selbst gegenüber)
  • Die Schuld für die Verfehlungen der Priester war "per definitionem" den Frauen als Verführerin zugeschrieben. Statt dass der Ordensbruder also zur Rechenschaft gezogen wurde, erlebte sie Untätigkeit und Vorwürfe dafür, diese Situation heraufbeschworen zu haben. Als sie ihn damit konfrontierte, dass seine Avancen ein Regelbruch seien, kam statt erhoffter Einsicht der sexuelle Übergriff: Sie fiel in eine Schockstarre, die als Einverständnis ausgelegt wurde.
  • Der Ordensbruder gab später den Verstoß zu und wurde in den Vatikan versetzt; das päpstliche Siegel wurde (bisher) nicht aberkannt (der Vorfall ist noch in Bearbeitung).

Pfarrer Lukas Albrecht, Sektenbeauftragter des Bistums Essen, trug weiter dazu bei: Als Kirchenvertreter entschuldigte sich Herr Albrecht bei der Teilnehmerin und sagte, dass er sich zutiefst schämen würde für diesen Mitbruder.

Extrem ist das Dilemma, wenn man von der Berufung so überzeugt ist, dass es keine vorstellbare Alternative gibt, um glücklich zu sein; wenn man in der Welt draußen nicht mehr Fuß fassen kann aufgrund der bisherigen Abgeschnittenheit; wenn man mit Schuldgefühlen kämpft, seine Berufung nicht erfüllt zu haben. Anzeichen des Sektenhaften an dem Orden waren:

  • Briefe lesen: Das ist ein Verstoß gegen das Postgeheimnis und auch gegen das Grundgesetz persönlicher Freiheit.
  • Reflexion wird nicht gern gesehen (zum Beispiel über das Zölibat)
  • Ausdruck der Gefühle wird unterdrückt und durch Befremden manipuliert

Ihr Fazit war:

Die Selbstaufgabe "bis Gott mich ganz erfüllt" funktioniert nicht:
um mich erfüllen zu lassen, muss ich Ich bleiben.
In dem Moment, wo "Ich" nicht mehr bin, kann mich gar nichts mehr erfüllen.

Und: "Beim gemeinschaftlichen Leben im Zölibat geht es eigentlich um das Familiengefühl, dem "Zusammen" - wobei es aber nicht immer dabei bleibt."

Das Vertrauen in die Institution war grundlegend weg. Gott hat sie jedoch im Laufe des Ausstiegsprozesses als größer erfahren, als näher jetzt; als derjenige, der ihr heraus geholfen hat.

Aufgewachsen bei den 12-Stämmen

Der Teilnehmer berichtet von Praktiken wie

  • die Unberechenbarkeit und Unausweichlichkeit der Strafen
  • Bloßstellung und Demütigung der Eltern vor der Gemeinschaft, wenn sie nicht genug straften; es wurde ihnen gegebenenfalls jemand beigestellt, der half, das Gebot umzusetzen oder selbst Hand anlegte. Kinder galten als Gemeinschaftsgut (man schlug so nicht Kinder anderer Leute)
  • Verpetzen gab Pluspunkte: "Jeder dort ist ein Spitzel - nicht nur wenige, wie bei der Stasi"
  • Abschirmung; um Freundschaften und Gruppenbildung zu vermeiden, wurden Umzüge angeordnet
  • Kritiker sind Feind Gottes (nicht nur der Gemeinschaft)
  • Der Alltag war geprägt von Freudlosigkeit, Funktionieren, Gehorsam, aber auch Haltlosigkeit: weil man "nichts ist".

Frau Riede von der Sekteninfo NRW dazu: Das Kindeswohl darf nicht mit dem Recht auf Religionsfreiheit ausgehebelt werden.

Esoterische Gefolgschaft mit Selbstmord

Die Frau des dritten Teilnehmers war einer harmlosen Einladung zur Meditation gefolgt. Das Interesse vertiefte sich, bis sie sich dem (oberbayrischen) "Messias" anschloss und nach 3 Jahren Selbstmord beging. Ihr Ehemann berichtete:

  • Sie hatte als Krankenschwester Weiterbildung gesucht, war an esoterischen Bereichen interessiert und wollte später als Lebensberaterin arbeiten.
  • Wörter (wie Liebe) bekamen eine andere Bedeutung (plattitüden-haft).
  • Meditationen machten labil und wurden zur Indoktrination benutzt.
  • Sie glaubte schließlich, dass sie ohne den Guru direkte Anweisungen von Gott bekommen würde, dass sie Anführerin einer (Religions-)Gemeinschaft werden würde.
  • Entfremdung von der Familie: "Der göttliche Auftrag steht höher als die Familie"
  • Frau Riede, Sekteninfo NRW: Das Hormon Dopamin im Gehirn gaukelt ein Gottesgefühl vor, was dann süchtig macht. (Man fixiert sich darauf und will immer mehr davon - ein Drogeneffekt.)

Sektenmerkmale

Zusammenfassend benannte Pfarrer Albrecht als Kennzeichen auch:

  • eine Sekte glaubt im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein
  • es gibt eine strenge Aufteilung in Gut und Böse
  • Kritik ist unerwünscht (mehr oder weniger deutlich ausgesprochen)
  • Wissenschaftsfeindlichkeit
  • Sekten lehnen die "normale" Welt ab: Dort herrsche Unmoral oder der Teufel selbst
  • Drängen auf Unterschreiben eines Beitrittsvertrags

Im Gegensatz dazu würden zum Beispiel kirchlichen Orden die Brüder und Schwestern lange auf die Gemeinschaft vorbereitet und können jederzeit austreten.

Stufen einer Sekte

Von der Schweizer Sekten-Info Relinfo.ch gibt es unter anderem folgende Definition des Begriffs Sekte in neuerer Sicht: Jede Gemeinschaft ist eine potentielle Sekte: Sekte ist eine Gemeinschaft, die sich selber überschätzt. Sektentendenz auf

  • Stufe l ist das Gefühl, etwas besonderes zu sein
  • Stufe 2 besser zu sein
  • Stufe 3 die Überzeugung, alle sollten sich uns möglichst angleichen
  • Stufe 4 allein-seligmachend zu sein (die einzigen im Himmel)
  • Stufe 5 die einzigen mit Lebensrecht auf Erden. Der Rest der Welt wird untergehen. Die Distanz zur ungläubigen Welt wird immer größer.
  • Stufe 6 verkennt die Sekte die Umwelt und die eigenen Möglichkeiten völlig. Sie verfällt nach außen dem Verfolgungswahn und nach innen dem Allmachtswahn.
  • Stufe 7 treffen sich Allmachts- und Verfolgungswahn in einem Punkt, in einer Art kollektivem Amoklauf.

Eine (bebilderte) Checkliste gibt es auf der Seite der Beratungs- und Informationsstelle NRW.

Satanismus

Informationen zu Satanismus gibt es auf der Seite über rituellen Missbrauch von der Sekteninfo Essen e.V.

Dort wird Satanismus als "Selbst-Vergottung des Menschen" bezeichnet - ein von Aleister Crowley (siehe auch in Tarot) begründeter, moderner magischer Satanismus. Die "Verherrlichung des Menschen - einschließlich der niederträchtigsten Seiten seines Wesens" ist hierbei der Kernpunkt - nicht so sehr die Figur des Gegenspieler Gottes. Dies geschieht mithilfe von magischen Ritualen und okkulten Praktiken. Meist entfalten die Führenden ein eigenartiges, dunkles Charisma.

Häufig werden an Opfern auch dissoziationsauslösende Techniken verwendet, die auch im zweiten Weltkrieg erfolgreich praktiziert wurden. Sie dienen dazu, die Opfer durch gezielte Traumatisierung zu Verdrängung, zu Abspaltung und zum Schweigen zu bringen und eine Kontrolle zur späteren Aktivierung zu bestimmten Handlungen zu erlangen.

Erinnerungen und Berichte von Opfern heutzutage sind nicht immer leicht einzuordnen bezüglich der Realität - manchmal sind sie nicht nachprüfbar und können wie Erinnerungen aus früheren Leben wirken, Einflüsse aus dem morphogenetischen Feld oder Astralwelten wie zum Beispiel bei Psychosen, Schizophrenie.

Ungeachtet der Glaubwürdigkeit zählt in der Therapie hier vorrangig die Tatsache, dass die Mechanismen (offensichtlich) in der Psyche wirksam sind. Es gibt vereinzelt Therapeuten und Supervisoren, die mit diesem Bereich vertraut sind. Betroffene müssen lernen, die äußere und innere Realität zu differenzieren und ihre Wahrnehmungsfähigkeit zu erweitern auf das Gute, echte Wesenswärme und Liebe. Manchmal müssen sie regelrecht deprogrammiert werden.

Auch in kleineren Gebetskreisen und Kirchengruppen gibt es oft einzeln begabte Mitglieder, die gezielt beten, um mit Jesus Hilfe Befreiung von solchen Einflüssen zu erreichen (für Menschen, die an Jesus glauben).


Weiterlesen


Artikel

Videos

  • Die Psychotricks der Gurus: Glauben, Glück, Gehirnwäsche? - Folge von der Talkshow "Menschen bei Maischberger" vom 3.3.2015 Editieren.svg
  • Schizophrenia and Bipolarity - Bentinho Massaro, spiritueller Lehrer, beschreibt Schizophrenie als aufgespaltene Persönlichkeit, deren Anteile auf unterschiedliche Dimensions-Muster beruhen und erklärt, wie sie harmonisiert werden können. "Liebe deine Selbste zurück in die Einheit." Englisch Editieren.svg
  • The responsibility of a teacher - Rupert Spira spricht über die Aufgaben und die Verantwortung eines spirituellen Lehrers: die Unmöglichkeit der Hingabe an eine Person als Objekt, da das Ziel der Non-Dualität die Erkenntnis ist, dass es keine Getrenntheit von Objekt-Subjekt gibt. Englisch Editieren.svg
  • Wenn Glauben gefährlich wird: Die Macht der Sekten - Menschen bei Maischberger - Sie sind auf Sinnsuche oder wollen ihr Leben Gott widmen und geraten in die Fänge von Glaubensgemeinschaften. Doch die Heils- und Glücksversprechen, die viele Menschen anlocken, erfüllen sich meist nicht. Vom 12.11.2014. Editieren.svg

Filme

  • Kumare - Die wahre Geschichte eines falschen Propheten* - Vikram dokumentiert seinen Erfahrung damit, spirituellen Suchern gegenüber als spiritueller Lehrer aufzutreten sowie ihre Reaktionen auf die Enthüllung der gefälschten Wahrheit. (Seine Neugier macht den Unterton warmherzig statt arrogant entblößend) Editieren.svg

 

Weblinks

  • relinfo.ch - eine reichhaltige Bibliothek mit Informationen, Artikeln, Betroffenenberichten und einer Liste von religiösen und spirituellen Gruppen mit vielerlei Beschreibungen und Rückmeldungen Editieren.svg
  • sekten-info-nrw.de - Ansprechstelle, mit vielen Artikeln zu Psychogruppen und Sekten Editieren.svg
  • sekteninfo.de - Infoseite mit Hinweisen auf aktuelle Sendungen und Gruppen; Lebensberichte Editieren.svg

Jeder Autor hat seine eigenen Passagen zu diesem Artikel beigesteuert. Deshalb muss nicht jeder Autor alle Passagen des Artikels unterstützen.

  1. Esoterik-Forum Beitrag von Cyrus vom 3.Dez 2007, abgerufen am 15.12.2014
  2. in der Maischberger-Sendung vom 3.3.15
  3. Sekteninfo NRW über Hexen, Sekten und Fundamentalisten, Bericht vom März 2012, abgerufen am 15.12.2014
  4. Wikipedia/Zwölf Stämme, abgerufen am 15.12.2014.
  5. Anmerkungen in Klammern von der Artikel-Autorin Heike Witzel, zur weiteren Erläuterung
  6. Zitat aus der Maischberger-Sendung vom 3.3.15 "Die Psychotricks der Gurus"], berichtet von Dieter Rohmann, Sektenexperte und Aussteiger-Hilfe, ab circa 31. Minute
  7. beschrieben zum Beispiel im Artikel "Wenn Schüler aufgeben wollen 1" von Sant Kirpal Singh in "Visionen", ganz unten, abgerufen am 15.12.2014
  8. Über den Unterschied zwischen Tantra und sexuellen Liebesdienst, der der Transformation dient (aus einem englischsprachigen Blog), abgerufen am 15.12.2014
  9. Ein Magier berichtet in einem indischen Zeitungsartikel über Seminare für "falsche" Gurus (aus einem englischsprachigen Blog), abgerufen am 15.12.2014.
  10. aus der Kevatta Sutta, einer buddhistisch-philosophischen Schrift
  11. https://www.relinfo.ch/chinmoy/ex.html (weit unten), abgerufen am 15.12.2014