Einweihung

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Umgekehrte Sonne, nach einer Idee von Heinz Grill. Die Strahlen kommen auf die Sonne zu.

Dich interessiert allgemein das Thema Einweihung oder Initiation? Du suchst nach einer Entwicklung, in der du lernst, das zu vollbringen, was du noch nicht kannst?

Dann kann dir dieser Artikel hoffentlich gute Informationen und Anregungen geben, wie dies für die Zukunft entwickelt werden kann.

Das Wandbild „Umgekehrte Sonne“, das im Casa della Bellezza, im Trentino/Italien verwirklicht wurde, drückt dies bildhaft aus: Durch den Einweihungsweg kann der Mensch eine schöpferische Bewusstseinsaktivität entwickeln. Diese befähigt ihn, so licht, aufbauend und lebensspendend wie die Sonne selbst zu wirken. Er gibt der lebensspendenden Sonne und damit dem ganzen Leben eine individuelle Kraft hinzu.

Begriffsbestimmung

Unter Einweihung versteht man allgemein eine „Handlung, jemand mit etwas bekannt/vertraut zu machen, das er bis dahin noch nicht wusste.“[1] In diesem Artikel soll die Einweihung in die höheren Welten oder in die Mysterien dargestellt werden. Bis etwa zum Ende des 19. Jahrhunderts geschah dies immer nicht-öffentlich. Nur für Auserwählte war eine Einweihung in diesem Sinne möglich. Daher kommt auch der Name "Geheimschulung".

Etwa seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist eine derartige Schulung öffentlich möglich und könnte von jedem Menschen ergriffen werden. Sie bezeichnet den bewussten Entwicklungsweg des Menschen zu ersten Erkenntnissen, daraus resultierenden Empfindungen und schließlich einmal zur Realisation der höheren geistigen Welten.

Das Wort "Initiation" wird oft in der selben Bedeutung wie Einweihung verwendet. Es kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „einweihen, einführen“.

Kurzer Blick in die Geschichte der Einweihung

In einer Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit sollen beispielhaft drei Schulen der Vergangenheit genannt werden, in denen Einweihungen vorgenommen wurden:

Pythagoreische Schule

Pythagoras von Samos (* um 570 v. Chr., † nach 510 v. Chr.) gründete in Unteritalien diese religiös-philosophische Schule in den zwanziger Jahren des 6. Jahrhunderts v. Chr. Nach seinem Tod bestand sie noch einige Jahrzehnte fort.[2]

Mithras-Einweihung

Von Persien aus verbreitete sich der Mithras-Kult über Kleinasien und Griechenland nach Rom und wurde, besonders seit etwa 70 v. Chr., vor allem durch römische Soldaten nach Palästina und bis hin nach Germanien und Britannien getragen. Der Mithras-Kult diente vornehmlich der Ausbildung und Reinigung der Empfindungsseele. Auf dem Wege der Verinnerlichung sollte die kosmische Ordnung im Herzen nachempfunden und danach das äußere praktische Leben geregelt werden.[3]

Einweihung bei Paulus – die esoterische Schule von Athen

Paulus, der große Verbreiter des Christentums, lehrte einerseits vor dem Volk. Dies kann in seinen Briefen im Neuen Testament studiert werden. Außer dieser äußerlichen Lehre, gab es von ihm aber auch eine esoterische Lehre. Paulus hat nach Aussage von Rudolf Steiner die esoterische Schule in Athen unter der Führung des Dionysius begründet.[4]

Wesentliches der vorchristlichen Einweihung

Einweihung geschah damals mit ganz speziellen Methoden, mit denen die Schüler in einen todesähnlichen Zustand versetzt wurden und somit Eindrücke aus der geistigen Welt gewinnen konnten. Wenn sie nun wieder unter der genauen Führung des Eingeweihten, der dies vollzog, ins Leben zurückkamen, wussten sie um die höhere Welt und konnten authentisch darüber sprechen. Dieser Vorgang, der von dem Eingeweihten an dem Schüler vollzogen werden musste, war hochkomplex und ist für unser heutiges Verständnis kaum mehr zugänglich.

Der Priester musste nämlich den sogenannten Ätherleib (dies ist der Fachbegriff für unseren Lebensleib) „von dem lethargischen physischen Leib befreien, um den Schüler in die geistigen Welten hinauszuführen. Im vollbewußten Zustande hätte der Mensch in jene höheren Welten nie hinaufsteigen können. Er mußte aus diesem Zustande herausgehoben werden. So großartig und gewaltig es war, was der Mensch da erlebte, er war doch ganz in der Hand des Priesters. Ein anderer herrschte über ihn, und nur um diesen Preis konnte er in die höheren Welten eindringen.“[5]

In einer Art physischen Todeserfahrung vollzog sich also die vorchristliche Einweihung und es ist verständlich, dass es hierfür einer langen Vorbereitung bedurfte.

Christusmysterium: Die Individualität tritt in ihre volle Geltung ein

Info
Wenn im Artikel von Christusmysterium oder Christus die Rede ist, so sind diese Begriffe keineswegs im gängigen weltanschaulichen oder kirchlichen Sinn gemeint. Sie sind tatsächlich im Sinne einer realen Tatsache zu verstehen, die fundamentalen Einfluss auf die Entwicklung des Menschen und der Erde genommen hat und auf die mutige Realisierung des einzelnen Menschen wartet.

Das Wirken und der Tod des Christus brachte für die Entwicklung des Menschen und damit für die Einweihung eine völlige Veränderung, einen Neubeginn.

Paulus mit seinem Damaskuserlebnis dürfte eines der einprägsamsten Beispiele für diese neue Einweihung darstellen. Es fällt auf, dass die Einweihung bei Tag, bei Licht und damit bei vollem Bewusstsein eintrat. Sie geschah nicht bei Nacht und im Dunkel eines Tempels. Vor allem geschah sie nicht in einem todesähnlichen und somit unbewussten Zustand.[6] Es ist davon auszugehen, dass die erwähnte esoterische Einweihungsschule von Paulus nach dem neuen Prinzip ausgerichtet war.

Auch die ab dem Mittelalter auftretende christlich-rosenkreuzerische Einweihung wurde ebenfalls in ihren Grundlagen der Änderung der geistigen Entwicklung des Menschen gerecht.[7]

Durch das Prinzip der menschlichen Entwicklung, die der Christus in die Menschheit hereingebracht hat, trat die Individualität in ihre volle Geltung ein. Daher darf der Schüler mit dem Lehrer nicht mehr in der Weise verschmelzen, wie dies früher der Fall war. Auch ist es nicht mehr nötig, irgendeinen Ritus oder eine Zeremonie abzuhalten. Es ist heute ebenfalls nicht sinnvoll, einen todesähnlichen Zustand oder sogenannte Körperaustritte für den Schüler herbeizuleiten, die seine feinstofflichen Glieder von der Eingebundenheit in den physischen Leib losreißen, damit er – auf diese Weise befreit – Einblicke in die geistige Welt nehmen kann.

Jeder Mensch könnte – er muss nur wollen

Die Einweihung heute geschieht durch Schulung des Bewusstseins. Der Mensch muss sich nicht mehr abscheiden vom gewöhnlichen Leben oder gewissermaßen herausisoliert aus dem Alltag den Weg zur Erkenntnis der höheren Welten einschlagen. Man kann integriert bleiben in Beruf und Familie und nimmt in den Tagesverlauf ganz bestimmte regelmäßige Übungen, Seelenübungen und möglichst objektiv ausgerichtete, gegenständliche Meditationen hinzu.

Es ist zu betonen, dass diese Einweihung für jeden Menschen guten Willens möglich ist. Das ist eine so herrliche Tatsache, die gar nicht oft genug ausgedrückt werden kann. Rudolf Steiner beginnt sein Buch "„Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“" mit folgenden Worten:[8]

Es schlummern in jedem Menschen Fähigkeiten, durch die er sich Erkenntnisse über höhere Welten erwerben kann.
Rudolf Steiner

Weiter Rudolf Steiner auf der 1. Seite des genannten Buches:

Der Mystiker, der Gnostiker, der Theosoph sprachen stets von einer Seelen- und einer Geisterwelt, die für sie ebenso vorhanden sind wie diejenige, die man mit physischen Augen sehen, mit physischen Händen betasten kann. Der Zuhörer darf sich in jedem Augenblicke sagen: wovon dieser spricht, kann ich auch erfahren, wenn ich gewisse Kräfte in mir entwickele, die heute noch in mir schlummern. Es kann sich nur darum handeln, wie man es anzufangen hat, um solche Fähigkeiten in sich zu entwickeln. Dazu können nur diejenigen Anleitung geben, die schon in sich solche Kräfte haben.
Rudolf Steiner

Der Geist gelangt durch den Menschen selbst in die Gegenwart

Jemand, der dazu Anleitung geben kann, muss demnach selbst die Kräfte und Fähigkeiten verwirklicht haben. Sonst kann er sie nicht authentisch unterrichten. Das ist in Bezug auf das Fachgebiet der geistigen Entwicklung nicht anders als in jedem Fachbereich des normalen Lebens. Jeder wird heute akzeptierten, dass jemand, der Schreiner werden will, zu einem Schreinermeister in die Lehre geht, der sich voll und ganz in allen Zusammenhängen dieses Berufes auskennt.

Wer sich auf einen spirituellen Weg begeben möchte, der braucht also genauso eine fundierte Quelle des Wissens, der geistig stimmigen weisheitsvollen Gedanken und der authentischen Erfahrung eines Menschen. Er braucht ein Buch, in dem geistige Gedanken niedergeschrieben sind, über die er meditieren kann und die einmal in seiner Person lebendig werden sollen.

Ein solches Buch – und das ist erwähnenswert, weil es heute gerne vergessen wird – ist aber geschrieben durch einen Menschen, der sich mit den Gesetzen der Entwicklung auskennt, weil er Erkenntnisse der höheren Welten selbst errungen hat.

Noch direkter ist es, wenn die Suchenden zu einem lebenden geistigen Lehrer in Beziehung treten. Diese lebendige menschliche Begegnung eröffnet noch unmittelbarere Möglichkeiten der Erfahrung und der Beobachtung: Wie spricht dieser Mensch? Welche Werte verkörpert er? Wie handelt und fühlt er? Wie reagiert er auf verschiedene Zeitphänomene?

Im Hören der Worte einer eingeweihten Persönlichkeit, beispielsweise in einem Vortrag, kann die Kraft des lebendigen schaffenden Wortes erfahren werden, das heute ein wesentlichster Baustein der Einweihung darstellt. Heinz Grill beschreibt in seinem Buch „Meditationen“[9] diesen Zusammenhang so:

Eine spirituelle Initiation, eine sogenannte Einweihung, geschieht in den meisten Fällen durch das weisheitsvoll gesprochene Wort oder durch eine authentische, wie es im Evangelium heißt, in Vollmacht stehende Rede. Diese Rede in der Vollmacht und in der Kraft der geistigen, unmittelbar gegenwärtigen Wirklichkeit ist keinesfalls mit einer reinen Informationsübermittelung, wie beispielsweise von einem modernen Lehrer an einen Dritten, zu verwechseln, es ist vielmehr ein sehr wohl gewähltes, mit Geistinhalt erfülltes Reden, das sich im Kerngehalt und im Umkreis mit unmittelbarer Wirklichkeit offenbart und somit eine erfüllte, faszinierende Autorität besitzt. Eine Einweihung ist deshalb nicht mit einem Ritual, das routinemäßig praktiziert wird, gleichzusetzen. Sie geschieht vielmehr in der Begegnung mit einem Menschen, der ganz in einer Weisheit tiefgründig lebt, der Weisheit selbst ist und der ein Beziehungsverhältnis aus dieser Weisheit zur Welt entwickelt hat, sodass er sie unmittelbar an Dritte durch seine Ausstrahlung, Gestikulation oder seine Worte übermitteln kann. Einweihung heißt, dass der Geist durch den Menschen selbst in die Gegenwart gelangt.
Heinz Grill

Der Rhythmus von 3 und 6 Tagen

Die Wirkung aus dem mit Vollmacht gesprochenen Wort folgt nun ganz bestimmten Rhythmen. Heinz Grill dazu weiter:[9]

Der Same des Wortes oder die Substanz der Wahrheit, die im Worte liegt, beginnt nach drei Tagen erstmals zu keimen. Leise und neue Empfindungen erwachen in der Seele des teilhabenden Menschen, und dieser fühlt sich in der Kraft wie ein erstes Mal neu geboren. […] Derjenige, der dieses lebendige Wort vernimmt, bemerkt, dass das Wort nicht ohne den Menschen zur Erkraftung gelangen kann. Der Mensch und das Wort gehören zusammen, so wie der Geist und der Mensch im verwirklichten Zustand eine untrennbare Einheit bilden.
Heinz Grill

Durch das folgende Zitat kann ein zentraler Unterschied der vorchristlichen zu der nun möglichen Einweihung erfasst werden. In den alten Zeiten musste der Ätherleib des Menschen durch einen todesähnlichen Zustand vom physischen Leib befreit werden. Nur dadurch war es möglich, gewissermaßen Abdrücke und Eindrücke der geistigen Welt aufzunehmen und entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen. Heute kann das Bewusstsein des Menschen am Tag geistige Eindrücke durch aktive Begegnung mit einem gesprochenen Wort oder mit weisheitsvoller Literatur wahrnehmen und diese drücken sich in der Nacht in seinen Ätherleib oder Lebensleib ab. Auf diese Weise reifen Erkenntnisse und Empfindungen zu den höheren Welten heran:

Ein tiefes Fühlen zu einer spirituellen Wahrheit, die im Wort vermittelt wurde und durch Wiederholung und Auseinandersetzung über sechs Tage eine intensive Pflege erhält, lässt im Lebensleib, im Ätherleib des Menschen, eine lichtvolle Kraft entflammen. Das innere geborene Wahrheitsfühlen beginnt sich als Teil des individuellen Lebens zu manifestieren. Der Übende erlebt nun durch das lebendige Wort, das er über längere Zeit gepflegt hat, eine im Ätherleib auferstehende Erkraftung, die er bisher nicht kannte. Sie organisiert sich zu den bisherigen Verhältnissen hinzu. Sie kommt jedoch nicht aus dem Körper und aus den bisher gelebten Gefühlen, sondern sie erwacht wie neu, wie eine Sonne in der Seele, die es bisher nicht gegeben hat.
Heinz Grill

Nach 6 Tagen ist im Menschen etwas Neues geboren. Er ist wahrhaftig ein initiierter Mensch geworden. Um der real gemachten Erfahrung willen erwächst ihm eine Verantwortung, die spirituelle Entwicklung weiterzupflegen und langsam eine größere kulturschaffende Kraft für sein Umfeld, ja für die gesamte Menschheit heranzubilden.

Für diese weitere Pflege der spirituellen Entwicklung braucht es praktisch anwendbare und vor allem zeitgemäße Schulungsinhalte, so dass der Mensch aktive Prozesse einleiten kann, die der unauslöschlichen Initiationserfahrung gerecht werden, und ihr mit der Zeit ebenfalls einen gelebten und authentischen Ausdruck in der eigenen Persönlichkeit verschaffen.

Diese Schulungsinhalte genauer zu beschreiben, würde aber den Rahmen des Artikels sprengen. In der nachfolgenden Literaturliste ist für interessierte Personen jeweils ein Buch mit praktischen Übungen von Rudolf Steiner und Heinz Grill aufgeführt.

Literatur

  • Bartel Leendert van der Waerden: Die Pythagoreer. Religiöse Bruderschaft und Schule der Wissenschaft, Zürich – München 1979. ISBN 3-7608-3650-X
  • Walter Burkert: Antike Mysterien. Funktionen und Gehalt, 5. Auflage, Verlag C.H.Beck 2013, ISBN 978-3406643682
  • Ludwig Meindl: Der Mensch am Scheideweg. Sind wir Kinder des Lichts – oder Söhne der Finsternis? Das Bild des Menschen im Wandel der Zeit, Stephan Wunderlich Verlag 2018, ISBN 978-3-9819041-4-7
  • Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10, Rudolf Steiner Verlag 1992, ISBN 3-7274-0100-1
  • Heinz Grill: Übungen für die Seele. Die Entwicklung eines reichhaltigen Gefühlslebens und das Erlangen erster übersinnlicher Erkenntnisse, 3. erweiterte Auflage, Synergia Verlag 2022, ISBN 978-3-906873-33-6


Weiterlesen

       

Jeder Autor hat seine eigenen Passagen zu diesem Artikel beigesteuert. Deshalb muss nicht jeder Autor alle Passagen des Artikels unterstützen.

  1. Wiktionary/Einweihung, abgerufen am 28.04.2023
  2. AnthroWiki/Pythagoras von Samos, abgerufen am 28.04.2023
  3. Wikipedia/Mithraismus, abgerufen am 28.04.2023
  4. Rudolf Steiner: Das christliche Mysterium, GA 97, Rudolf Steiner Verlag 1998, ISBN 3-7274-0970-3, S. 142
  5. Rudolf Steiner: Das christliche Mysterium, GA 97, Rudolf Steiner Verlag 2001, ISBN-10‎ 3-7274-0970-3, S. 147
  6. vgl. Apg 9,3–29
  7. Rudolf Steiner: Die Erkenntnis des Übersinnlichen in unserer Zeit und deren Bedeutung für das heutige Leben, GA 55, Rudolf Steiner Verlag 1983, ISBN‎ 3-7274-0550-3, S. 183 f
  8. Rudolf Steiner: Wie erlangt Erkenntnisse der höheren Welten? GA 10, Rudolf Steiner Verlag 1992, ISBN 3-7274-0100-1, S. 16
  9. a b Heinz Grill: Meditationen. Die Erfahrung des Christus im Ätherischen, Stephan Wunderlich Verlag 2022, ISBN 978-3-948803-07-0, S. 32 ff

Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt,
wenn man es teilt.

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