Vor kurzem haben wir die Zahlen in unserem Mobilitäts-Artikel aktualisiert und was soll ich sagen? Es war ernüchternd. Die Zahlen der zugelassenen Pkws steigen jährlich und auch gerade jetzt zur Sommerferienzeiten rollen die Blechlawinen wieder auf den Autobahnen.

Viele können sich ein Leben ohne Auto gar nicht vorstellen. Das stell ich immer wieder in persönlichen Gesprächen fest. Dass es durchaus möglich ist und wie wir unser autoloses Leben als 5-köpfige Familie in der Stadt gestalten, möchte ich euch heute erzählen.

Warum haben wir kein Auto?

Ich gebe offen zu, dass wir die Entscheidung zum autolosen Familienleben nicht bewusst getroffen haben. Wir sind quasi rein gewachsen und haben bisher keine Notwendigkeit gesehen, diesen Umstand zu ändern – ganz im Gegenteil.

Mein Mann und ich lernten uns im Studium kennen. Geld für ein Auto hatten wir schlichtweg nicht. Unser erstes Kind kam auch noch während meines Studiums zur Welt und unsere finanziellen Ausgaben konzentrierten sich erst mal auf das Kind. Zu dritt ist man auch ohne Auto noch sehr flexibel und man findet sich im Alltag gut zurecht.

Spannender wurde es natürlich mit dem zweiten Kind. Während man sich zu dritt problemlos auf die Rückbank von Freunden oder Großeltern quetschen konnte, war das zu viert nur noch möglich, wenn wirklich nur der Fahrer anwesend war. Doch in der Straßenbahn und im Bus gibt es 4er Sitze und beim Umsteigen hat man, selbst wenn man allein unterwegs ist, für jedes Kind eine Hand zur Verfügung.

Die richtige Herausforderung begann erst mit Kind Nummer 3. Nun konnten wir nicht eben mal von einem Freund im Auto mitgenommen werden. Selbst Taxifahren war nur im Großraumtaxi möglich und die Fahrten mit dem Öffentlichen alleine mit drei kleinen Kindern ließen schon öfters meinen Stresspegel nach oben schellen.

Doch trotz allem halten wir an unserem autofreien Leben fest und haben es lediglich um das Konzept des Carsharings für Urlaubsreisen oder Kurztrips erweitert.

Wie meistern wir unseren Alltag?

„Familienleben ohne Auto – wie soll das denn gehen? Was ist denn mit einkaufen, Arztbesuchen oder dem berüchtigten Mamataxi?“ Solche Fragen bekomme ich immer wieder mal gestellt.

Fakt ist, dass wir die meiste Zeit in unserer Stadt wirklich kein Auto brauchen. Das geht nicht nur uns so, sondern auch unseren Freunden, die ein Auto besitzen. Die Infrastruktur unseres Viertels ist vorbildlich: Krippe, Kindergarten, Schule, Ärzte, diverse Einkaufsmöglichkeiten und so weiter sind alle in weniger als 10 Minuten zu Fuß zu erreichen. Müssen wir doch mal weiter weg, sind wir auch innerhalb von 15 Minuten und weniger bei der Straßenbahn, der U-Bahn und beim Hauptbahnhof.

Das Nachmittagsangebot der Kinder wurde natürlich auch mit Schwerpunkt der Wohnortnähe ausgewählt, so dass zum Beispiel die Erstgeborene seit Schuleintritt alleine ihrem Hobby nachgehen kann.

Die Einkäufe erledige ich übrigens 2mal in der Woche komplett alleine. Meistens handelt es sich um einen Großeinkauf, um die Vorräte aufzustocken, und einen Kleineinkauf für frische Waren. Mit Essensplan und Einkaufsliste kann ich ganz gut abzuschätzen, was zu tragen ist. Und ja, oft trag ich wirklich alles vom Supermarkt nach Hause. Als die Kinder noch klein waren, hatte ich das Baby in der Trage vor dem Bauch geschnallt und einen großen Rucksack auf dem Rücken. Der Nachhauseweg war dann mein persönliches Krafttraining. Zu viert haben wir auch noch in der Dachgeschosswohnung ohne Aufzug gewohnt. Das gab ordentliche Armmuskeln. Mittlerweile geh ich ohne Kind einkaufen und muss das Gekaufte auch nur noch bis zum zweiten Stock tragen. Ich bin auch dazu übergegangen, mit dem Rad zum Supermarkt zu fahren. Auf dem Rückweg behänge ich es dann mit meinem ganzen Beuteln und schiebe es nach Hause.

Bei ausgefallenen Dingen wie zum Beispiel Einkäufe im Baumarkt oder Notarztbesuchen, die beim Leben mit drei Kindern doch das ein oder andere Mal auftreten, müssen wir dann situationsbedingt entscheiden. Bisher haben wir das aber auch immer mit Rad und Anhänger oder den Öffentlichen gelöst. Nur für die Geburt von den Kindern sind wir mit geliehenen Autos gefahren.

Wenn wir Ausflüge am Wochenende machen, sind wir auch oft mit dem Rad unterwegs. Seitdem unsere Große nicht mehr in den Anhänger passt, muss sie selbst radeln. Ausflüge im Umkreis von 10 km sind kein Problem für sie. Manchmal besuchen wir für das Wochenende Freunde, die etwa 25 km und einige Höhenmeter von uns entfernt wohnen. Da die Reise zu ihnen mit den Öffentlichen aufwändiger ist und die Fahrt zu ihnen sehr viel durch den Wald geht, fahren wir im Sommer mit dem Rad. Mit 7 Jahren ist die Große diese Strecke bereits das erste Mal alleine geradelt.

Übrigens als ich noch alle drei Kinder mit Anhänger und Kindersitz alleine transportiert habe, habe ich unterwegs immer mal wieder ungläubige Blicke und lobende Worte geerntet.

Wie kommen wir zur Arbeit?

Dieser Punkt ist wahrlich ein Knackpunkt in unserem autofreien Leben und hat uns schon manchmal ins Schwanken gebracht.

Mein Mann hat vor zwei Jahren seine Arbeitsstätte gewechselt. Zuvor musste er 7 km zur Arbeit zurücklegen, mittlerweile sind es 25 km. Bei geeignetem Wetter radelt er die Strecke hin und zurück, da er so einfach am flexibelsten ist. Den größten Zeitverlust bringt jedoch das Umziehen und Erfrischen, bevor er sich an seinen Schreibtisch setzt. Im Durchschnitt braucht er daher von Wohnungstür zum Sitzen am Arbeitsplatz 1,5 Stunden. Die Zeit des Rückwegs ist etwas schneller, da er ja dann einfach zuhause ist und fertig.

Trotzdem spüren wir die 2,5 Stunden Wegzeit natürlich in unserem Familienalltag. Der Papa bringt eines der Kinder gegen 8 Uhr morgens weg und kommt erst gegen 19 Uhr zum Abendessen wieder. Dafür hat er allerdings sogleich sein tägliches Sportpensum erfüllt. Zusätzlich hört er beim Radeln Podcasts und Hörbücher und ist viel an der frischen Luft. Mit dem Auto würde er übrigens ohne Parkplatzsuche, die vor allem bei unserem Wohnort extrem schwierig ist, für einen Weg 35 Minuten brauchen. Bei hohem Berufsverkehr verlängert sich die Zeit natürlich entsprechend. Hinzu kommt noch der zusätzliche Stress, der bei schwieriger Verkehrslage entsteht. Auf dem Rad hingegen baut er den Stress ab.

Wenn er nicht mit dem Rad zur Arbeit fährt, nimmt er den Zug. Zum Start-Bahnhof und vom Ziel-Bahnhof aus benutzt er ein Klapprad, das kostenlos und problemlos im Zug mitfahren kann, und kommt so auf eine Arbeitswegzeit von 45 Minuten – sofern die Deutsche Bahn pünktlich ist. Um sich den Arbeitsweg ganz zu sparen, kann er auch hin und wieder im Home Office arbeiten.

Ich selbst habe übrigens mit dem Rad einen Arbeitsweg von 20 Minuten, den ich auch bei jeder Wetterlage fahre. Die meiste Zeit arbeite ich aber im Home Office.

Wie kommen wir in den Urlaub?

Wenn wir zu fünft verreisen, sind wir dazu übergegangen, ein Auto zu mieten. Für Kurztrips und längere Ausflüge nutzen wir Flinkster. In unserer Stadt gibt es mittlerweile eine wirklich große Flinkster-Flotte und in der Nähe unseres Wohnortes sind gleich vier Flinksterautos stationiert. Einziger Wermutstropfen ist, dass es sich bei den meisten Autos um Kleinwagen handelt. Wir passen aber zu fünft ganz gut zum Beispiel in einen Renault Clio. Ich muss mich zwar zwischen zwei Kindersitzen auf die Rückbank quetschen, aber es geht. Die Größe des Kofferraums ist auch kein Problem. Zu viert sind wir noch grundsätzlich mit dem Zug gefahren und daher sind wir es gewohnt, mit kleinem Gepäck zu reisen.

Für längere Reisen buchen wir bei Europcar. Wir waren mit beiden Anbietern bisher immer zufrieden und hatten noch keine Probleme.

Fazit

Es gibt immer wieder Alltagssituationen, in denen ich dazu neigen würde, das Auto zu nehmen. Da wir aber keines haben, bin ich gezwungen, mir eine andere Lösung einfallen zu lassen. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern hält mich und meine Familie fit. Ich persönliche denke, dass es viel schwerer ist, ein Auto zu besitzen und es wenig zu nutzen, als gar kein Auto zu haben.