Das Herz klopft schneller, die Stimmung hellt sich auf, jeder hat diese Veränderungen beim Hören seines Lieblingssongs bereits an sich beobachten können. Doch Musik kann noch viel mehr bewirken, als die Laune eines einzelnen kurzfristig zu verbessern. Wie genau zeigen sich die Effekte musikalischer Erlebnisse auf den Menschen?

Musik und ihre Wirkung auf unsere Emotionen

Was Musik im menschlichen Körper bewirkt, konnten Forscher bislang auf physischer sowie auf emotionaler Ebene beobachten. Betroffen sind dabei alle Altersgruppen von Säuglingen bis zu Senioren.

Wirkung auf die Physis

Musik ist in der Lage, physiologische Parameter im menschlichen Organismus direkt zu beeinflussen. Darunter fallen etwa der Blutdruck, der Herzschlag und die Atemfrequenz. Zusätzlich stellten Forscher fest, dass Musikhören den Hormonspiegel verändern kann. Während flotte und aggressive Rhythmen Adrenalin freisetzen, wird bei langsamen und zurückhaltenden Melodien Noradrenalin freigesetzt. Durch Einwirken auf Hypophyse und Nebenniere kann ruhige Musik Stresshormone herabsenken und sogar Schmerzen lindern, indem sie die Produktion von körpereigenen Morphinen anregt. Diese biologisch nachzuvollziehenden Effekte macht sich die Medizin längst zunutze und setzt die Musiktherapie in Bereichen der Schmerzbehandlung und der Psychiatrie ein.

1. Musik hilft dem Gehirn nach einem Schlaganfall

Wissenschaftler aus Helsinki studierten an einer Gruppe von 60 Schlaganfall-Patienten, wie Musik sich auf die Erholung der Gehirnfunktionen auswirkt. Dabei teilten sie die Probanden in ein Drittel, das eine konventionelle Therapie erhielt, ein Drittel, das täglich der bevorzugten Musikrichtung lauschen sollte, und ein Drittel, das jeden Tag eine Stunde lang ein Hörbuch hörte. Drei Monate später zeigte die Musik-Gruppe ein um durchschnittlich 60 Prozent verbessertes Sprachgedächtnis, während die konventionelle Therapie diese Fähigkeit um 29 Prozent und die Hörbücher sie um lediglich 18 Prozent gesteigert hatten. Das Vermögen, seine Aufmerksamkeit zu fokussieren, erfuhr nur in der Gruppe der Musikhörenden eine signifikante Verbesserung. Darüber hinaus litten diese Patienten weniger intensiv unter Verwirrungszuständen und Depressionen.

2. Musik als Gedächtnistraining

Insbesondere bei Senioren nehmen Mediziner an, dass Musik und Musizieren dem Abbau von Nervenzellen entgegenwirken kann. Einige Hirnregionen, die im Alter üblicherweise von Prozessen der Degeneration betroffen sind, zeigen sich bei Musikern stärker ausgebildet. Musik zeigt damit stärkeres Präventionspotenzial gegen Demenz als Sport.

Das Training des Lautbildens und des Hörens kommt Menschen aller Altersgruppen zugute, wenn sie etwa eine Fremdsprache erlernen wollen. Nachgewiesen wurde dieser Vorteil bereits für tonale Sprachen wie das Chinesische. Wer sich zu lernende Vokabeln auf die Melodie seines Lieblingsliedes vorsingt, lernt sie schneller auswendig und behält sie besser im Gedächtnis als ohne musikalische Unterstützung.

Wirkung auf die Psyche

1. Spannung und Entspannung

Warum versetzen Stücke wie Mozarts kleine Nachtmusik die Zuhörer unmittelbar in eine gelassene Stimmung? Forscher versuchen zwar seit Jahrzehnten den Mechanismen zwischen Emotionen und Musik auf die Spur zu kommen, allerdings sind diese bis heute noch nicht vollständig erschlossen. Eine These der Wissenschaftler lautet, dass uns Musik durch ihre wechselnden Rhythmen und Motive in einen kontinuierlichen Zustand der Spannung und Auflösung versetzt. Ähnlich, wie wir es bei einem Kriminalfilm visuell tun, verfolgen wir in Musikstücken auditiv einen Spannungsbogen. Der Komponist wechselt das Motiv, die kommende Auflösung versetzt den Zuhörer in freudige Erwartung und schließlich gipfelt das Stück im Refrain bzw. Leitmotiv, das die musikalische Klärung bietet. Bei jedem Zuhören erfährt der Mensch demnach ein kleines Erfolgserlebnis, das seine Stimmung hebt.

2. Fröhliche Musik belebt und traurige Klänge deprimieren?

Diese Beziehung besteht nur bedingt. Zwar heben muntere Stücke zweifelsohne die Stimmung ihrer Zuhörer, doch wirken sich auch melancholische und ruhige Klänge positiv auf das Befinden aus. Während Menschen im Alltag die Traurigkeit als eine negative Emotion ansehen, die sie vermeiden wollen, suchen viele in der Musik die ergreifenden Momente. Interessanterweise fühlen sich die Zuhörer schwermütiger Klänge jedoch nicht bedrückt, sondern erleben nostalgische Gefühle. Sie nutzen die Musik als Medium, um sich zentrale Ereignisse ihrer Vergangenheit wieder wachzurufen. Visuelle Eindrücke und die emotionale Bindung an bestimmte Personen können durch bestimmte Musikstücke wieder ins Bewusstsein zurückgerufen werden.

Welche Vorteile können wir aus Musik ziehen?

Insbesondere in der Erziehung junger Menschen kann Musik zur Entfaltung der persönlichen Stärken beitragen:

1. Musikalische Früherziehung – Musik von Beginn an

Dass Mütter ihren Babys Schlaflieder vorsingen, ist keine leere Tradition, sondern der erste Kontakt eines Individuums mit den Kräften harmonischer Klänge. Nicht nur durch den sanften Klang der mütterlichen Stimme, sondern auch durch ruhige Melodien lernen Säuglinge zur Ruhe zu finden. Später unterstützt das gemeinsame Singen die Bildung einer intimen Beziehung: Während beim Sprechen stets nur einer zu Wort kommt, bietet das Singen und Musizieren eine gemeinschaftliche Aktivität in der Familie.

Schließlich gelingt es Eltern mithilfe von Musik auch, ungeliebte Rituale wie das Einschlafen, Zähneputzen oder Anziehen in eine spielerische Unternehmung zu verwandeln. Kinder, die sich früh musikalisch betätigen, entwickeln ihre Kreativität, Geschicklichkeit und motorische Fähigkeiten. Sie verlieren Berührungsängste mit Sprache, Tanz und kulturellen Unterschieden. Findet die musikalische Früherziehung innerhalb einer Gruppe statt, stärkt dies den gegenseitigen Respekt und die soziale Kompetenz

2. Musikunterricht in der Schule

Modellversuche belegen, dass der musikalische Unterricht bei Grundschülern seine positiven Auswirkungen weit über die Fachgrenzen hinaus beweist. Innerhalb einer Langzeitstudie an Berliner Grundschulen beobachteten die Forscher eine Abnahme an Ausgrenzungen und ein weniger aggressives Klima in den Klassenräumen. Wenn Kinder ihr Gehör schulen, sind sie auch in der Lage die Stimmung der anderen an ihren Stimmklängen sensibler wahrzunehmen, so die Erklärung der Fachleute. Auch die Motivation und die Konzentrationsfähigkeit der Kinder konnte durch Musikunterricht deutlich gesteigert werden. Darüber hinaus maßen die Wissenschaftler bei den an der Studie beteiligten Schülern einen durchschnittlichen IQ von 110, während er bei Kontrollgruppen nur bei 105 lag.

Ein Instrument lernen

Unbestreitbar macht es Freude schöner Musik zu lauschen – sie selbst erzeugen zu können bietet allerdings ein umso größeres Erlebnis. Welchen Effekt hat Selbstmusizieren auf unseren Intellekt und unsere Gefühle?

  • Musik fördert das Durchhaltevermögen: Bis die Ergebnisse der ersten Musikstunden in den eigenen Ohren gut klingen, vergehen viele Übungsstunden. Manchmal erleben Musikschüler sogar tiefe Frustrationen und Phasen der Unlust. Wer lernt, sich selbst darüber hinwegzuhelfen, belohnt sich schließlich mit dem klangvollen Ergebnis selbst. Herausforderungen – auch solchen abseits der Musik – können disziplinierte Musikschüler meist gelassener begegnen. Denn sie lernen schnell, dass die tatsächlichen Hindernisse auf dem Weg zum Ziel vor allem in den eigenen Emotionen liegen. Wer lernt, diese mithilfe von Musik positiv zu beeinflussen, kann alles erreichen. Gerade bei Kindern sollten Eltern hier jedoch darauf achten, dass mit dem richtigen Instrument der Spaß im Vordergrund steht. Zwang hat in diesem Bereich keinen Platz, sondern demotiviert nur.
  • Musik hebt das Selbstbewusstsein: Wer es schafft, auf Tasten oder Saiten harmonische Klänge zu erzeugen, beschert sich selbst ein Erfolgserlebnis. Dies kann in der Entwicklung von Kindern zu einem stärkeren Selbstwertgefühl verhelfen, unterstützt jeden Menschen aber auch im Erwachsenenalter: Schließlich mangelt es im Alltag häufig am Bewusstsein, tatsächlich etwas bewirken zu können. Musik stellt da die positive Ausnahme dar und sorgt für Entspannung abseits vom stressigen Job oder familiären Kummer.
  • Musik stärkt das Team: Man muss nicht im Orchester spielen, um die Erfahrung eines funktionierenden Miteinanders zu machen. Auch innerhalb des Musikunterrichtes erhält der Instrumentenschüler konstruktive Kritik und lernt, diese praktisch für sich umzusetzen. Viele Elemente dieser förderlichen Beziehung zwischen musikalischem Mentor und Musikschüler lassen sich in Schule und Arbeitswelt transferieren.

Gemeinsam zu musizieren bringt mehr Spaß und Motivation

Fazit

Unter Zwang ein Instrument lernen zu müssen, weil es Wunsch der Eltern war, diese Erfahrung sollte heutzutage kein Mensch mehr machen müssen. Vor allem, weil Frustration und Abneigung gegenüber pflichtgemäßem Musizieren dem betroffenen Menschen den Zugang zu einer wichtigen Ressource versperren: Spielerisch erlernt, ermöglicht es Musik, sowohl die persönlichen Fähigkeiten zu entfalten, als auch das gesellschaftliche Miteinander zu erleichtern.

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