Es passiert jeden Tag tausendfach: Der eigene Partner hat sich in einen anderen Menschen verliebt. Die Partnerin fängt eine Affäre mit dem Tennislehrer an. In langjährigen Beziehungen sind davon ca. 39 % bis 50% der Paare betroffen. Der Betrogene wird buchstäblich in ein Gefühlschaos versetzt und es erscheint unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Innerlich brodelt ein Emotion-Cocktail aus Wut, Resignation, Trauer und Empörung. Ist es möglich, die Beziehung dennoch zu retten?

Für viele Menschen ist der Seitensprung des Partners der absolute Trennungsgrund, für andere der Startpunkt um die Beziehung neu zu überdenken und herauszufinden, wo der eigene Anteil an der Misere zu finden ist. Hier liegt die Chance die Beziehung zu überdenken und die Dinge, die im Argen liegen, neu zu bewerten und einen gemeinsamen Neuanfang zu starten.

Aber wie kannst du einen Seitensprung aufrichtig verzeihen?

Wenn du noch Liebe für deinen Partner empfindest und die Entscheidung gefallen ist, eurer Liebe eine neue Chance zu geben, dann istder erste Schritt zur Heilung die Analyse der Ist Situation. Denn erst wenn die Ausgangslage mit allen Gründen klar ist, kann eine neue Vertrauensbasis entstehen. Sicherlich ist dieser Prozess schmerzlich und in der Regel braucht es mehr Zeit, wenn es sich um eine dauerhafte Affäre gehandelt hat.

Verzeihen ist eine aktive Entscheidung

Vordergründig so zu tun, als ob du deinem Partner den Seitensprung verziehen hast, funktioniert nicht. Das Verlangen nach ständigen Liebesbeweisen ist genauso wenig hilfreich wie generalisierte Eifersucht.

Oftmals stehen wir uns selbst im Weg. Wenn wir verzeihen wollen, kommen unweigerlich negative Gefühle wie Wut oder Angst hoch.

Wenn diesen Gefühlen nicht genug Raum gegeben wird, läufst du Gefahr, dass ein falsches Gefühl der Vergebung den Groll überdeckt. Deshalb solltest du dir so viel Zeit nehmen, wie du brauchst, um verzeihen zu können.

Vergebung bedeutet, das Unrecht, das einem zugefügt wurde, aus freiem Herzen zu entschuldigen. Dabei wird das Vergehen nicht kleingeredet oder ungeschehen gemacht, sondern die Schuld wird als Tatsache anerkannt. Wirkliches Verzeihen bedeutet, sich mit dem Täter zu versöhnen und trotzdem weiter zu lieben.

Diese Schritte sind hilfreich um Verzeihen zu können

Wenn du wirklich verzeihen möchtest, dem helfen dir dabei folgende Schritte:

1. Alle Gefühle akzeptieren

Als hilfreich für meine Klienten hat sich die eine Minute-Emotion-Technik bewährt. Bei dieser Methode handelt es sich um eine Meditation, in der ein Gefühl wie Wut für ein paar Minuten intensiv im Unterbewusstsein noch einmal erlebt wird. In der Entspannung hat jede Emotion einen neutralen Raum. Es ist wichtig, dass kein Gefühl unterdrückt wird, denn das kann auf Dauer zu großen emotionalen Schaden führen.

2. Die richtigen Fragen an den Partner stellen

Folgende Fragen solltest du deinem Partner niemals stellen: Warum hast du mir das angetan? Ist sie besser im Bett als ich? Wo hattet ihr Sex? Diese Dinge sind nur quälend und führen zu nichts.

Stattdessen ist es sinnvoller sich diesen Themen zu stellen: Warum ist das passiert? Hattest du ein schlechtes Gewissen? Was hat dir in unserer Beziehung gefehlt?

Wahrscheinlich werden dir die Antworten des Partners nicht gefallen, doch die Bereitschaft wirklich zuhören, ist an dieser Stelle sehr wichtig. Auf jeden Fall müsst ihr beide in der Lage sein, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren.

3. Eine neue gemeinsame Beziehungsbasis finden

Versucht gemeinsam ein neues Miteinander zu kreieren. Das bedeutet, dass ihr Qualitätszeiten miteinander verbringt und diese positiv gestaltet. Es macht wenig Sinn sich alle paar Monate ein Erlebniswochenende zu buchen und in den Wochen dazwischen keine Gespräche zu führen. Effektiver ist es, sich in den normalen Tagesablauf verbindende Rituale einzubauen. Das kann der Tee zum Feierabend sein oder der wöchentliche Restaurantbesuch. Kreiert euch Zeitfenster nur als Paar ohne Ablenkungen durch die Kinder oder andere Verpflichtungen. Das Besondere ist dann eine logische Folge und ihr könnt es viel besser genießen. Bei der Vergebung geht es darum, die Vergangenheit zu ergründen, um mit neuem Mut in eine neue Zukunft zu starten.

4. Das Problem erkennen und benennen und Ausgleichsverhandlungen führen

Um Verzeihen zu können, ist es wichtig, sich mit der dahinterliegenden Problematik auseinander zu setzen. Dabei gilt es, dass ihr gemeinsam eine Lösung findet und diese auch lebt. Wichtig für einen konstruktiven Umgang mit Verletzungen ist es, zu besprechen, was du und dein Partner brauchen, damit sieheilen können. Außerdem solltet ihr eine gemeinsame Strategien entwickeln, was getan werden kann, damit es nicht noch einmal so weit kommt.

5. Eine gemeinsame Streitkultur entwickeln

Ihr beide müsst bereit sein, sich dem Prozess zu stellen. Der Betrogene muss sich ganz deutlich die Frage stellen: “Kann und will ich das wirklich verzeihen?“

Vergebung findet allerdings auf beiden Seiten statt. Der „Betrüger“ muss mit sich selbst klären, ob er bereit ist, den vereinbarten Preis zu zahlen? Denn nicht nur der Verletzte muss vergeben, sondern auch der „Schuldige“ muss lernen, sich selbst zu verzeihen und das ist nicht so leicht.

Verzeihen um jeden Preis?

Natürlich gibt es auch Fehler, die nicht zu verzeihen sind. Wenn sich die Partnerschaft in einem Täter-Opfer-Modus bewegt und Gewalt an der Tagesordnung ist, dann ist Vergebung keine Hilfe, sondern verstärkt diese Dynamik. Somit gibt es auch Fälle, wo Vergebung nicht sinnfrei ist.

Einen Schlussstrich ziehen.

Um einen Schlussstrich ziehen zu können, ist es notwendig das beide Partner sich mit dem eigenen Anteil an der Situation auseinandersetzen. Alles beginnt mit der Entscheidung, dem Partner zu verzeihen und dann auch dabei zu bleiben. Sinnvoll ist es, gemeinsame Rituale zu leben und sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen. Vergebung ist ein Prozess, der Zeit braucht, aber auch die Chance neue Erkenntnisse über sich und die Liebe zu finden.