„Ich komme gleich wieder.“ Warum dieser Satz für Babys (und auch für Erwachsene) wenig geeignet ist, liest du in Teil 3 meiner Artikelserie.
Das hier ist die Situation: Ich halte unser Baby im Arm. Sie fängt das Quengeln an, vermutlich weil etwas in ihrem Bäuchlein drückt. Ich versuche ein paar kreisende Bewegungen mit ihren Beinen zu machen, so dass vielleicht ein bisschen Luft aus ihr raus kommt 😉
Hilft nichts. Sie quengelt weiter. Also zur nächsten Idee: Dem Schnuller. Doch hier im Zimmer ist grad keiner. Also leg ich die Kleine kurz auf unserem Bett ab. Sie schaut mich fragend an und ich sage zu ihr:
Ich komme gleich wieder.
Mal unabhängig davon, dass sie mit ihren mittlerweile 4 Monaten meine Worte wahrscheinlich noch nicht (100-prozentig) verstehen wird: Was soll sie mit dieser Info anfangen? Was bedeutet „gleich“: Sind es 10 Sekunden, 30 Sekunden oder doch 2 Minuten?
„Gleich“ führt zu Unwissenheit
Fakt ist: Das Baby bleibt im Unwissenden. Ich verlasse den Raum und komme „gleich“ wieder.
Als ich den Satz im Laufe der Wochen ein paar mal zu ihr gesagt hatte, wurde es mir bewusst: Unser Baby kann mit dieser Aussage nichts anfangen. Also überlegte ich, was ich stattdessen sagen könne.
Ein paar Tage später war eine Freundin meiner Partnerin zu Besuch bei uns. Beim gemeinsamen Mittagessen kamen wir „zufällig“ genau auf dieses Thema zu sprechen. Die Freundin erzählte, dass sie es bei ihrem 2 Jahre alten Sohn folgendermaßen macht: Wenn der Kleine etwas bestimmtes machen will (zum Beispiel spielen), aber vorher noch etwas zu tun ist (zum Beispiel Wickeln), dann sagt sie nicht
„Wir können gleich spielen“
sondern:
„Wir wickeln dich erst noch und danach spielen wir gemeinsam“.
Der Trick: Einfach das beschreiben, was als nächstes ansteht. Und dass man danach, das eigentlich Gewünschte macht.
Der spielende Schnuller
Übertragen auf meine Situation mit dem Schnuller würde ich also sagen:
Ich hole schnell den Schnuller.
Wenn du spitzfindig bist, könntest du jetzt monieren, dass hier genauso wenig klar ist, wie lange das braucht. Das stimmt. Doch ein kleines Kind wird eh von Sekunden und Minuten nichts verstehen. Für sie gibt es vermutlich nur den Moment, das Jetzt (von dieser Einstellung können sich viele Erwachsene, auch ich, ein paar Scheiben abschneiden).
Der Bogen zu Erwachsenen
Apropos Erwachsene: Auch bei uns wäre es sinnvoll, zu beschreiben, was wir konkret tun, anstatt von „gleich“ zu sprechen.
Beispiel: Du bist wegen einer Formalie auf dem Amt. Am Schalter drückst du dem Herren deinen ausgefüllten Antrag in die Hand. Er sagt „Okay, ich komme gleich wieder“ und verschwindet im Nebenzimmer. Nun weißt du nicht, was los ist und warum du warten musst. Wenn er stattdessen sagt: „Ich hole kurz einen Stempel“, dann weißt du, dass du nicht lange darauf warten musst – oder zumindest, auf was du gerade wartest.
Wie ist das bei dir: Was sagst du zu deinem Kind, wenn etwas „gleich“ sein wird?
LG,
Stefan
Ich finde es sehr spannend, was du in den ersten Monaten schon für Erfahrungen hast und an Einstellungen bei dir hinterfragst. Ich weiß, ich hatte viele solche Momente, aber ich kann mich vermutlich nur mit viel Mühe an einen Teil davon erinnern. Wenn ich dann aber so etwas lese und darüber nachdenke, wie ich damit umgehe, dann merke ich, dass ich mir da auch irgendwann mal Gedanken gemacht haben muss oder mich zumindest auf meine Kinder eingestellt habe. Meine Kinder sind jetzt übrigens 3 und 5.
Was sage ich zu ihnen, statt „gleich“?
Ich zähle tatsächlich auch erst auf, was vorher alles noch passieren muss, bis „gleich“ eintritt. Wenn ich „gleich“ verwende, dann meistens in „ich muss nur kurz … machen/holen, bin gleich wieder da“ oder wenn ich gerade etwas mache und genervt bin „Jetzt wart halt, ich bin doch gleich da/fertig/…“. Wenn ich nicht genervt bin, ersetze ich „gleich“ durch Zeitangaben: eine blaue Sanduhr = 10 Minuten, eine orange Sanduhr oder eine Sendung mit der Maus = 30 Minuten, oder was auch immer. Häufig folgt dem auch noch eine Aufforderung oder ein Tipp, was sie in der Zeit noch machen könnten (sich anziehen, Tisch decken,…).
Manchmal informieren mich meine Kinder inzwischen auch schon genauer, wenn es darum geht, wann sie sich endlich anziehen oder herkommen und sagen mir, was sie vorher noch fertig bzw. überhaupt noch machen müssen. Das finde ich sehr gut, da spare ich mir dann die Aufgregung gleich genervt zu sein, weil ich weiß, wie lange ich noch auf sie warten muss und ob ich das vielleicht durch Hilfe beschleunigen kann. So kommen wir tatsächlich meistens entspannt und pünktlich aus dem Haus, wenn wir Termine haben.
Auch in der Schule mache ich das so, dass ich den Kindern zu Beginn sage, was wir den Tag über machen und wenn sie meine Hilfe brauchen oder wissen wollen, wann etwas passiert, beschreibe ich auch immer, was ich oder wir vorher noch machen.
Hi Hanna, ich sehe schon: Du könntest hier auch gut bloggen – und bist ja sogar noch offizielle Wiki-Mitschreiberin.
Deine Zeitangaben mit den Sanduhren und der „Sendung mit der Maus“ ist sehr einfallsreich. Das behalte ich schon mal im Hinterkopf, wenn unsere so weit ist.
Scheint sehr strukturiert bei euch vorzugehen, wenn ihr das Haus verlasst, Respekt!
Hallo stefan! Ich mache es genauso wie eure Bekannte. Ich erzähle unserem Sohn was ich mache und was jetzt passiert, so hört er schon mal die Wörter (und später den Sinn). Als unser Sohn noch jünger war, habe ich alles vorbereitet, damit es zu “warte-situationen“ nicht kommt; mittlerweile ist Marvin fast 10Monate alt und wir üben das “warten“ indem er z.B. beim essenkochen was kleines zum beissen bekommt und die wartezeit nicht so quälend wirkt. Dabei achte ich auf die Sprache: “ich koche jetzt das mittagessen und du kannst was knabbern. Gleich ist das essen fertig.“
Hi Eva. So hört man wieder voneinander 🙂
Das klingt nach einer guten Kombi aus „sagen was jetzt passiert“ und dem Wörtchen „gleich“. Bis bald in echt hoffentlich.