Ein fremdbestimmtes Leben ist in den meisten Fällen kein erfülltes, kein glückliches Leben. Dennoch leben viele Menschen dauerhaft fremdbestimmt. Das Problem scheint zu sein, dass sie sich dieser Tatsache nicht bewusst sind. Daher ist es wichtig zu wissen, was Fremd- und Selbstbestimmung eigentlich bedeuten und wie sich das eine überwinden und das andere erlangen lässt.

Was ist Fremdbestimmung?

Den meisten Menschen sind die Begriffe Fremd- und Selbstbestimmung zumindest vage bekannt. Immer wieder tauchen sie nicht nur in spirituellen Ratgebern und meistens im Zusammenhang mit einem glücklichen Leben, Zufriedenheit, Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen auf. Selten aber wird darüber aufgeklärt, was es genau bedeutet, wenn ein Mensch fremdbestimmt lebt und durch den Alltag geht. Doch im Grunde lässt es sich auf einen leicht verständlichen Punkt herunterbrechen: Fremdbestimmte Menschen schaffen es nicht, sich von dem Zwang zu lösen, die Erwartungen anderer Menschen zu erfüllen. Eigene Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche werden hintenangestellt, um den Erwartungen anderer Menschen gerecht werden zu können.

Dass diese Fremdbestimmung sich in einer Gesellschaft wie unserer bei vielen Menschen nach und nach immer stärker ausprägt und man sich ihr gar nicht unbedingt bewusst ist, liegt daran, dass die meisten Menschen schon seit der Kindheit eine Reihe von Erwartungen erfüllen müssen:

  • Die Eltern erwarten von einem Kind vielleicht, dass es sich anderen Erwachsenen gegenüber auf eine bestimmte Art und Weise verhält, immer höflich ist, grüßt und lächelt usw. Außerdem muss der Teller leer gegessen werden, zwei Mal am Tag müssen die Zähne für genau drei Minuten geputzt werden, abends müssen spätestens um 20 Uhr die Lichter ausgehen, … Die Liste ist lang.
  • Ähnlich sieht es in der Schule aus: Lehrer erwarten von Kindern, genau wie die Eltern, dass diese den Unterrichtsstoff kennen und gute Noten schreiben. Es geht weniger darum, die einzelnen Interessen und Talente eines Kindes zu fördern, was für eine natürliche und spirituelle Erziehung vielleicht nicht schlecht wäre, sondern darum, einer Norm zu entsprechen.
  • Freunde erwarten, dass man für sie da ist, sich für sie einsetzt, sich nicht mit anderen verbündet. Jeder kennt das Dilemma, sich in irgendeiner Situation für einen Freund oder eine Freundin entscheiden zu müssen und sei es nur bei der Frage, wer zuerst Tischtennis oder an der Konsole mit einem spielen darf.

Die meisten Menschen erfahren derlei Situationen schon sehr früh, können darüber aber noch nicht reflektieren. Im Laufe des Erwachsenwerdens kommen dann meist noch mehr Erwartungen hinzu: Der Chef erwartet eine bestimmte Leistung, der Partner oder die Partnerin erwartet Engagement und Zeit für die Beziehung. Wer versucht, all diesen Erwartungen gerecht zu werden, es jedem recht zu machen und vergisst, was er eigentlich selbst möchte, der lebt fremdbestimmt und verpasst mitunter einen frühzeitigen Ausbruch aus dem Kreislauf.

Typische Symptome fremdbestimmten Lebens

Wer in einem sozialen und politischen Gefüge wie beispielsweise der westlichen Demokratie lebt, ist ganz automatisch gezwungen, bestimmte Erwartungen zu erfüllen. Die Kunst besteht allerdings darin, selbst zu entscheiden, welche Erwartungen unbedingt erfüllt werden müssen und welche in Anbetracht der eigenen Bedürfnisse und der eigenen Lebensphilosophie vernachlässigt werden können. Vielen Menschen gelingt genau das nicht. Die Fremdbestimmung wirkt sich dann mit all ihren Folgen auf die Lebensqualität aus. Nach und nach wächst das Leid und das Glück nimmt ab. Die Symptome des fremdbestimmten Lebens sind dabei vielfältig, sollen aber nicht dazu dienen, das Leben noch zu verschlimmern, sondern sollten, wie bei einer Krankheit, als Hilferuf von Körper und Psyche gesehen werden, die Notbremse zu ziehen und etwas im Leben zu ändern. Drei Beispiele für Symptome der Fremdbestimmung können sein:

  • Burnout: Menschen, die fremdbestimmt leben, sind viel anfälliger für einen Burnout. Denn der ständige Druck und Zwang, alle möglichen Erwartungen zu erfüllen, wird den meisten Menschen irgendwann zu groß. Tendenziell kommen im Laufe der Jahre mehr und mehr Erwartungen hinzu. Wer nicht filtern und aussortieren kann, indem er in die Selbstbestimmung findet, wird schnell eine starke emotionale Erschöpfung spüren, die oftmals in starker Antriebsschwäche, Zynismus, Distanziertheit zu anderen Menschen oder Misserfolgen und Depressionen kulminiert.

Burnout ist eines der typischen Symptome dauerhafter Fremdbestimmung. fotolia.de © pixelaway (#121005127)


  • Finanzielle Probleme: Häufig geraten fremdbestimmte Menschen bereits in der Pubertät oder spätestens im Laufe des Erwachsenwerdens und des Ausübens einer geregelten Arbeit in finanzielle Schwierigkeiten. Dafür gibt es die unterschiedlichsten, meist recht simplen Gründe. So kann zum Beispiel in Phasen persönlicher starker Entwicklung, Unsicherheit und Verwirrung, wie etwa zu Beginn der Pubertät, der Freundeskreis einen großen Einfluss auf die vermeintlichen Bedürfnisse ausüben. Tragen alle in der Clique eine bestimmte Marke, entsteht mitunter ein Zusammengehörigkeitsdruck, ein Gruppenzwang, der einen dazu treibt, das Taschengeld für einen bestimmten Schuh oder eine bestimmte Jacke auszugeben.Im Erwachsenenalter können viele Menschen sich diesen Verhaltensmustern ebenfalls nicht entziehen. Hier werden die Statussymbole größer: Ein schickes Auto muss her, um bei Geschäftsterminen einen guten Eindruck zu machen, später vielleicht eine große Wohnung oder gar ein Haus, um Kollegen auch einmal einladen zu können. Nicht selten hat dies mit den eigenen wirklichen Wünschen gar nicht so viel zu tun.
     
    Häufig werden dafür Kredite aufgenommen, um sich all das leisten zu können. Oftmals wird allerdings nicht bedacht, dass sich die Lebensumstände auch schnell einmal ändern können. Verschiedene Gründe können der Auslöser sein, um in die Schuldenfalle zu geraten. Dafür genügt oft schon der Verlust der festen Arbeitsstelle. Aber auch eine Scheidung kann eine unüberlegte Finanzplanung schnell zu einem echten Problem machen, wenn Kreditraten dann nicht mehr bezahlt werden können.
     
    Plötzlich liegt das Hauptaugenmerk dann nur noch darauf, die Schulden irgendwie abzutragen oder den Dispokredit auf dem Konto auszugleichen. Um sein Leben wieder selbstbestimmt führen zu können, gibt es ebenfalls verschiedene Möglichkeiten. Von einer Umschuldung bis hin zur schnellen Tilgung mit Geld aus dem Verkauf etwa des unnötig großen Autos gibt es hier immer Wege aus der Schuldenfalle.
  • Süchte: Noch schlimmer und größer ist die Gefahr, als fremdbestimmter Mensch im Sinne einer Flucht vor den vielen Erwartungen anderer, eine Sucht zu entwickeln. Meistens beginnt diese ganz schleichend und muss nicht einmal unbedingt mit einer Droge zu tun haben. Sicher stehen Alkoholsucht oder schlimmere Abhängigkeiten berauschender Substanzen oben auf der Liste der Süchte, doch fremdbestimmte Menschen neigen auch zu anderen Süchten, wie Internetsucht, Kaufsucht, Sexsucht usw., die letztlich alle dazu dienen sollen, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Nur, wer sich diesen aber stellt, statt sie zu verdrängen, kann in ein selbstbestimmtes Leben starten.

Den Fokus nutzen, um zu sich selbst zu finden

Im Falle eines fremdbestimmten Lebens sind die erwähnten Probleme letztlich nur diese, die ein Mensch sich selbst schafft, indem er die Erwartungen der anderen zu erfüllen versucht. Nicht nur ist es ein Ding der Unmöglichkeit, es allen recht zu machen, die eigenen Bedürfnisse und der eigene Weg ins persönliche Glück und zu persönlichem Erfolg bleiben dabei auf der Strecke.

Daher ist es wichtig, zunächst zu erkennen, dass man ein fremdbestimmtes Leben führt, bzw. zu oft fremd- statt selbstbestimmt handelt. Das gelingt, indem man sich selbst immer wieder kritisch betrachtet und hinterfragt. Am besten funktioniert das über den eigenen Fokus, oder auch über die Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Der Fokus ist das Zentrum dieser Aufmerksamkeit und bestimmt letztlich auch, wie zufrieden ein Mensch sein kann. In der Fremdbestimmung liegt der Fokus verstärkt auf anderen Menschen: Was denkt mein Freund über mich? Was kann mein Chef von mir wollen? Was muss ich machen, damit meine Freundin mich mehr beachtet? Wer sich ständig auf die anderen konzentriert, verliert das eigene Wohlbefinden aus den Augen.

Den Fokus zum eigenen Selbst zurückzuholen ist der erste Schritt in die Selbstbestimmung und damit auch in die Zufriedenheit. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Es ist vielmehr ein Prozess, der immer wieder geübt werden muss. Wer merkt, dass seine Gedanken nur um einen oder mehrere andere Menschen kreisen, sollte bewusst versuchen, den Fokus auf die eigenen Angelegenheiten, also die eigenen Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse, Wünsche und Ziele zu lenken. Hier muss schließlich abstrahiert werden: Wünsche ich mir dies und das wirklich für mich selbst? Oder will ich damit wieder nur jemandem anderen irgendetwas beweisen? Macht mich diese Anschaffung glücklich oder folgt darauf nur eine weitere? Fragen dieser Art führen zu einem Reflektieren, indem sich nach und nach zeigt, wie stark der Zwang der Erwartungserfüllung ist, bzw. war.

Dauerhaft selbstbestimmt leben lernen

Wer dauerhaft selbstbestimmt lebt, führt ein glücklicheres, entspannteres und in der Regel auch spirituelleres Leben. Denn nur wer mit sich im Reinen ist und sich nicht ständig abhängig macht, kann in Harmonie mit sich selbst, der Umwelt und dem Wunder des Seins leben. Um diesen Zustand zu erreichen, sollten nach und nach Abhängigkeiten in Bezug auf bestimmte Abläufe des Alltags, bestimmte Situationen und eben auch in Bezug auf andere Menschen minimiert werden. Selbstbestimmung heißt dabei nicht, keine Erwartungen mehr zu erfüllen, sondern vielmehr, die Erwartungen zu erfüllen, mit denen die eigenen Ziele und tiefen Überzeugungen übereinstimmen.

Denn der Mensch ist, von Natur aus, ein soziales Wesen und dazu veranlagt, bestimmte Erwartungen sogar erfüllen zu wollen. Seien das die Sorge und Pflege der eigenen Familie oder das Streben nach dem sozialen Wohlergehen der Mehrheit der Gesellschaft und der Reduzierung des allgemeinen Leids. Meistens sind es eben tiefere Ziele, als der eigene Wohlstand oder das Erfüllen der Erwartungen einer bestimmten Menschengruppe. Es gilt, diese Ziele nach und nach zu erforschen, den Fokus auf das eigene Innere zu lenken und sich aus den Erwartungsfesseln der Gesellschaft zu befreien.

In der Selbstbestimmung rücken meist wieder andere Werte in den Mittelpunkt des Lebens. Dazu gehört nicht selten auch die Harmonie mit der Natur. fotolia.de © Hannes (#143723221)

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