Eine Frau Dr. med. Lulit Wunder und ihr Ehemann Mabon Wunder, seines Zeichens Diätologe, haben hier so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau geschrieben oder sagen wir: Sie haben es versucht.

4 Bucharten in einem Buch

Erstmal ist das Buch eine Abhandlung über eine besondere Art des Kurzzeitfastens, hier „Wunderleicht® – Leberreinigung“* oder auch „Ihr Leber – Detox -Programm“ genannt.

Dann ist es ein kurzer Abriss über Funktion und Aufbau der Leber.

Außerdem werden gleich drei fiktive Geschichten von Patienten erzählt, die so oder ganz ähnlich in das Praxisleben der beiden Autoren getreten sind. Das macht das Buch auch zu einer Art „Dokumentationserzählung“ – aber eben mit erdachten Protagonisten.

Zusätzlich ist es noch ein Kochbuch, denn es enthält noch kleine Rezepte für die sogenannten Entlastungs- bzw. Aufbautage.

Für mich ist dieses Buch in erster Linie erst mal eines: durcheinander. Nicht vom inhaltlichen, sondern von der Gestaltung her. Ständig wechseln ein fortlaufender Text mit der Fantasiegeschichte eines/einer vermeintlichen Patienten/Patientin. Dazwischen gibt es Blöcke mit Funktionsbeschreibungen der Leber, dann wieder werden „Hilfsmittel für die Leber“ beschrieben. Vorher wird erklärt, wann und warum man eine solche Leberreinigung brauchen kann.

Neben dem 4in1-Konzept ist das Buch „Wunderleicht® – Leberreinigung“* vor allem noch eins: ein Werbeträger für die Frau Doktor Wunder und ihren Gatten.

Ein Werbeträger für das Ehepaar Wunder

Im Buch wird immer wieder darauf hingewiesen, wie man sich dem Leber–Detox denn überhaupt so nähern kann – und das geht natürlich nicht nur mithilfe dieses Buches, sondern man würde dem geneigten Leser auch sehr gerne noch diverse Produkte verkaufen, die man für die 6–tägige Kur benötigt.

Diese kann man natürlich alle im Onlineshop der Autoren erwerben. Und man kann auch ein Online–Programm der beiden buchen: die „Online – Leberreinigung“. Und selbstverständlich kann man auch nach Graz fahren und die analoge Praxis der Frau Doktor besuchen.

Ich traue mich überhaupt nur deswegen über dieses Buch zu schreiben, weil ich seit 1991 regelmäßig faste und mich sehr intensiv und viele Jahre mit den Themen Ernährung, Fasten, Stoffwechsel und verwandten Bereichen beschäftigt habe.

Da die Autorin Ärztin ist, bin ich überzeugt davon, dass sie sich wirklich gut abgesichert hat, bevor sie sich entschied, dieses Buch zu veröffentlichen. Sie hat sich das Programm sogar schützen lassen, es hat ein ® hinter dem Titel und ich gehe davon aus, dass es ein geschütztes Warenzeichen ist.

Und das ist es für mich auch: Ware, geschützt durch ein Warenzeichen. Etwas, womit die beiden in erster Linie Geld verdienen möchten. Das ist durchaus legitim, möchten ja die meisten Menschen in erster Linie mit ihrem Beruf. Hier wird aber ein Gesamtkonzept verkauft: ein Buch, die „Online – Leberreinigung“ und die Kur vor Ort.

Natürlich geht der Käufer des Buches davon aus, dass er/sie alleine mit dem Buch so eine Kur durchführen kann. So ist es wohl auch gedacht. Aber liest man das Buch aufmerksam merkt man: Es braucht viel mehr.

Die Wunderleicht® Leberreinigung benötigt vor allem Zeit

Zuerst einmal : ZEIT.

Und die Angabe habe ich deswegen groß geschrieben, weil die Kur insgesamt 13 ( ! ) Tage dauert und man während dieser 13 Tage permanent mit sich und seinen Körperfunktionen beschäftigt ist. Zumindest während der „Kernzeit“ der Kur, die 6 Tage dauert. Aber es gibt auch eine intensive Vorbereitungs– und eine Nachbereitungsphase.

Die Autoren betonen, dass die Kur „ nur ein bis zweimal“ pro Jahr durchgeführt werden muss oder sollte.

Ernsthaft?

Nach der zweimaligen Lektüre des Buches bin ich davon überzeugt, dass man diese Kur nicht in seinen ganz normalen Alltag integrieren kann. Es muss unbedingt Urlaub dafür genommen werden.

Und bitte welcher berufstätige Mensch hat Zeit, jährlich mindestens 12, besser aber 24 Tage Urlaub zu nehmen, um seine Leber zu entgiften?

Hier sind wir jetzt sowieso bei der Grundsatzfrage angelangt, die sich mir stellt:

Braucht unsere Leber das überhaupt?

Wie kommen wir überhaupt darauf, dass wir unsere Leber „entgiften“ müssen?

Meine ganz persönliche Überzeugung: Unser Körper ist absolut perfekt kreiert und alles ist so beschaffen, dass es hervorragend funktioniert, solange wir nicht anhaltend Schindluder mit unserem Organismus treiben.

Menschen, die das tun, lesen solche Bücher im Allgemeinen nicht, denn sich mit gesunder Ernährung, Fasten, Stoffwechselabläufen und so weiter zu befassen, setzt ein gewisses Maß an Bewusstheit voraus.

Und Menschen, die dieses Bewusstsein haben, gehen mit ihrem Körper nicht so um, dass ihre Leber eine Entgiftung bräuchte.

Das ist natürlich nur meine ganz persönliche Sicht auf dieses Thema.

Aber wir haben hier in den westlichen Industrieländern ja seit Jahren einen riesigen Hype um alles, was mit dem vermeintlichen Zauberwort „Detox“ daher kommt.

Was wird nicht alles „gedetoxt“ – im eigenen Körper und auch im Lebensumfeld.

Da muss alles auf den Prüfstand um – ja, warum eigentlich? Genau. Um uns zu optimieren.

Und wenn´s die Leber ist.

Mein persönliches Fazit

Und nun werde ich ganz deutlich mit meiner persönlichen Meinung zu dem Buch:

Wer die Symptome hat, die zu Beginn im Buch beschrieben werden, und dem die Autoren deswegen zu ihrem Programm raten, der braucht vor allen Dingen eines: einen Termin beim Arzt seines Vertrauens.

Es ist sehr gut möglich, dass ich es übersehen habe, aber mir fehlt in diesem Buch insgesamt der Hinweis darauf, dass solche Befindlichkeiten, wie sie dargestellt werden, durchaus von einer ernsteren Erkrankung herrühren können und in die Behandlung eines Arztes gehören.

Nun wird es noch kritischer: Ich halte das Programm in diesem Buch für Neulinge auf diesem Gebiet für gefährlich.

Es unbegleitet durchzuführen, ist wirklich starker Tobak.

An 6 Tagen wird massivst mit sogenannten „Dr. Wunder Darmpassage“ abgeführt und zwar bis zu 2 x täglich!

Das übertrifft sogar die drastische Abführpraxis diverser Fastenkurkliniken, in denen nur einmal am Tag bei Bedarf 1 x Bittersalz eingenommen wird.

Die „große Leberreinigung“, die dann an Tag 5 durchgeführt wird, ist für mich absolut indiskutabel.

Selbst die Autorin erwähnt vorsichtig, dass man nach Durchführung des gesamten Tagesprogramms eventuell mit einer schlaflosen Nacht rechnen muss.

Und es wird angeraten, sehr vorsichtig aufzustehen, wenn man des Nachts zur Toilette muss.

So kann man auch umschreiben, dass die Gefahr des Kollabierens gegeben ist….

Für mich ist das mehr als grenzwertig, um noch als Selbsthilfeprogramm für die Leber durch zu gehen. Das gehört, besonders für Anfänger, in eine Begleitung.

Gut gefallen mir allerdings die Rezepte im letzten Teil des Buches, wobei ich mich frage, was Fleisch in einem Aufbauprogramm nach solch einer Kur zu suche hat, aber sei´s drum.

Noch etwas: 20,- Euro sind für ein broschiertes Büchlein, das soviel Eigenwerbung enthält, eindeutig zu viel.

Angaben zum Buch

Wunderleicht® – Leberreinigung“* von Dr. med. Lulit Wunder und Mabon Wunder, erschienen im TRIAS – Verlag im Frühjahr 2019. Das Buch hat 152 Seiten und kostet 19,99 Euro.