„Häufig bringen uns die schwierigsten Wege an die schönsten Ziele.“

Ich kann verstehen, wenn jemand seinen Kopf schüttelt und sich wundert. Darüber, warum ich 800 Kilometer durch Spanien gepilgert bin. Freiwillig! Bei Regen, Wind und sengender Hitze.

Lohnt sich das überhaupt?

1. Der Weg führt zu Dir selbst

Anfangs war mir nicht bewusst, was dieser Camino für mich bedeuten würde.

Heute weiß ich, dass mir die ersten Wochen alleine zu laufen sehr gut getan haben. Ich war mit mir selbst beschäftigt. In den ersten Tagen konnte ich alles loswerden was sich in meinem Kopf an Gedanken angesammelt hatte – wie die Entleerung eines Stausees.

Unvorstellbar was mir alles durch den Kopf ging, wie viel ich denken konnte. Familie, Freunde, Arbeit, Aufgaben die noch zu erledigen sind und und und… Immer wieder das Gleiche denken.

Und noch mal, und noch mal.

Aber irgendwann war plötzlich alles „aus gedacht“, plötzlich war Stille in meinem Kopf.

Das war himmlisch!

Da war Ruhe, einmalige Ruhe!

Ohne dass es mir zunächst auffiel hatte ich kein Gedanken-Karussell mehr. Plötzlich nahm ich den Weg ganz anders war.

Aufmerksam bemerkte ich winzige Kleinigkeiten. Ein kleiner Stein, geformt wie ein Herz. Das Zwitschern der Vögel, der Wind der über die Felder strich. Alles hatte sich irgendwie verändert.

Was ich daraus gelernt habe:

Ich hatte diese Zeit für mich gebraucht um zu mir selbst zu finden. Niemand hätte mir dabei besser helfen können als ich selbst. Ich trug alles in mir, immer schon.

Das einfachste Glückskonzept: Weniger denken!

2. Höre auf deine innere Stimme

Ich werde den zweiten Tag meines Jakobsweges nie vergessen. Mit meinem viel zu schweren Rucksack bin ich morgens um 6 Uhr in Roncesvalles losgelaufen. Nichts gefrühstückt, kein Essen dabei.

Geplant hatte ich eine Strecke von 20 Km zum Eingewöhnen. Aber dann wollte ich unbedingt noch bis Pamplona laufen – was für eine Idee!

Es begann in Strömen zu regnen. Der Weg verwandelte sich in ein einziges Matsch-Meer, an den Schuhen klebten riesige, schwere Klumpen. Ich fühlte mich wie ein Profifußballer mit 10 Kilo Bleimanschetten an den Füßen.

Zu Essen gab es auch nichts! An diesem Tag hatte ich 36 Kilometer zurückgelegt mit einem Rucksackgewicht von 19 Kilogramm! Total platt konnte ich in der Herberge gerade noch ein Pilgermenü essen und bin direkt ins Bett gefallen.

Was habe ich daraus gelernt?

Höre sensibel auf dein Inneres und deinen Körper, und nicht immer auf deinen Ergeiz. Jeder muss seinen eigenen Wanderrhythmus finden.

Jakobsweg Lehren

3. Glücklich sein durch inneren Reichtum

Bei meinem ersten Jakobsweg musste ich mich sehr einschränken. Ich hatte nur das Nötigste dabei. So dachte ich zunächst. Ich war stolz darauf gerade einmal mit 19 Kilogramm Gepäck auszukommen.

Auf meine Fotoausrüstung verzichten? Unmöglich – dafür waren mir die Bilder viel zu wichtig. Mein dickes Wörterlexikon und den Kunstreiseführer – ein unbedingtes Muss!

3 Jeanshosen, eine dicke Thermoskanne, eine Daunenjacke (nein, ich bin nicht im Winter gelaufen), alles entsprach meinem Sicherheitsbedürfnis.

Ich kann mit sehr wenig materiellen Dingen glücklich sein. So dachte ich.

Dann kam der dritte Pilgertag. Ich musste auf noch mehr verzichten. Und so stand ich in Pamplona vor dem Postamt mit einem großen Karton in den Händen.

Meine Daunenjacke, zwei Jeans, mein Mittelalter-Roman, das fette Wörterbuch, Kunstreiseführer, Thermoskanne und die halbe Hausapotheke reisten zurück nach Hause.

Jetzt hatte ich „nichts“ mehr in meinem Rucksack. Er wog noch 12 Kilogramm.

Ich habe nichts vermisst.

Was ich daraus gelernt habe:

Durch den Jakobsweg habe ich gelernt mit ganz wenigen Dingen glücklich sein zu können und dass Zufriedenheit aus meinem Inneren wächst. Mehr brauche ich nicht. Im Augenblick zu Leben bedeutet auch nichts zu vermissen.

4. Gelassenheit im Alltag

Auf der Hochebene hinter Burgos war es eisig kalt. Den ganzen Tag regnete es schon. Ich hatte einen Bärenhunger. Wollte nur noch Ruhe! Wo ist die nächste Herberge?

Es dunkelt schon. Seit längerem vermisse ich die gelben Pfeile. Panik brach in mir auf!

Es wird mir langsam klar: Ich habe mich verlaufen!

Weit und breit kein Baum, kein Strauch, kein Haus, kein Dorf. Nur noch Landschaft. Einsame Landschaft – und ich.

Ich werde wütend und schimpfe vor mich hin, warum mache ich das hier überhaupt?

Bis ich plötzlich aus der Ferne einen Traktor höre. Er kommt näher. Mit dem Bauer fahre ich erleichtert ins nächste Dorf. Wir haben noch lange über den Camino gesprochen.

Ich war ihm sehr dankbar. Der Tag war eine Bereicherung für mich.

Was habe ich daraus gelernt?

Die Dinge gelassen annehmen so wie sie sind. Vertrauen und Hoffnung in das Leben schenken. Oft erweisen sich die Umwege im Nachhinein als eine Bereicherung.

Jakobsweg Erkenntnisse

5. Die Sehnsucht läuft weiter

Wenn du einmal den Jakobsweg gelaufen bist, wirst du bald merken, dass du ihn wieder und wieder laufen möchtest. Entweder in „Gedanken“ oder tatsächlich auf dem Weg. Das geht vielen Jakobsweg-Freunden so.

Die Sehnsucht nach dem Weg ist auch die Erinnerung etwas Großartiges erlebt und geleistet zu haben. An die Freude und die einmaligen Begegnungen des Weges. Darauf kannst du stolz sein.

Was ich daraus gelernt habe:

Der Gedanke an den Jakobsweg wirkt im Alltag wie eine nie versiegende Energiequelle.

Fazit:

Durch den Jakobsweg spürte ich das erste Mal was Stille bedeutet und wie schön es ist keine Gedanken mehr zu haben.

Auf dem Camino habe ich gelernt, dass es oft die steinigen Wege sind, die am schönsten sind. Und die sich am meisten lohnen.

Ich bin unendlich dankbar, diesen Weg gegangen zu sein. Ich bin bei mir selbst angekommen. Es war das Beste was ich bis dahin in meinem Leben getan hatte.

Und dafür lohnt es sich,

immer.